Grundgesetze:Jubel und eine Portion Kritik

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Der Linken-Politiker Gregor Gysi stellte den Grundrechte-Report vor. (Foto: Simon Sachseder/dpa)

Wie steht es um die Grundrechte in Deutschland? Neun Bürgerrechtsorganisationen beantworten die Frage jedes Jahr in einem Report. Mit dabei: Linken-Politiker Gregor Gysi.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Gewiss, es war der 70. Geburtstag des Grundgesetzes, aber auch an diesem Tag lieferte der "Grundrechte-Report" das ab, was er jedes Jahr zum Geburtstag bietet: Eine Portion Kritik an den allfälligen Einschränkungen der Grundrechte, gern auch mit einer Prise Alarmismus, aber eben auch mit ein paar klugen Gedanken - dazu gleich mehr. Den Jubelpart in dem Büchlein, herausgegeben von neun Bürgerrechtsorganisationen, übernahm der Linken-Politiker Gregor Gysi, der natürlich auf seine Weise jubelte: Nachholbedarf bestehe bei den sozialen Grundrechten, es müsse "auch ein Recht auf Wohnung in unserer Gesellschaft möglich sein", forderte er - und verwies mit einer Genugtuung auf die Debatte um den Sozialisierungs-Artikel 15, den manche gegen große Wohnungsgesellschaften in Anschlag bringen möchten.

Wo die Bedrohungen für ganz elementare Grundprinzipien herkommen, illustrierten die Bürgerrechtler bei der Präsentation des Reports in Karlsruhe durch einen ihrer Gäste. Auf dem Podium saß Engin Sanli. Der Rechtsanwalt hatte einen Mann aus Togo vertreten, dessen zunächst gescheiterte und dann mit viel Polizei vollzogene Abschiebung aus der Aufnahmeeinrichtung Ellwangen für Furore gesorgt hatte. Er hatte also, anders ausgedrückt, seinen Job im Rechtsstaat erledigt, zu dem es gehört, Partei für seinen Mandanten zu ergreifen, den Behörden mit Widersprüchen auf die Nerven zu gehen, Ansprüche zu stellen und Klagen einzureichen. Eine zentrale Aufgabe, ohne die alles nichts ist, weil Rechte wertlos sind ohne die Chance, sie einzufordern. Die AfD postete seinen Namen auf Facebook, und Engin Sanli wurde mit Tausenden von Hassmails überschwemmt. Laut Grundrechtereport wählten viele als Betreff "Anti-Abschiebe-Industrie", eine Wortschöpfung von Alexander Dobrindt.

Andere Gefahren rühren von den Apologeten der inneren Sicherheit her. Auch dies beklagen die Bürgerrechtler zwar jedes Jahr, trotzdem markiert ein Beitrag des Kriminologen Tobias Singelnstein, wie die Entwicklung immer weiter fortschreitet. Vorgestern fahndete man wegen begangener Straftaten nach Verdächtigen, gestern fokussierte man sich auf "Gefährder", die Straftaten begehen könnten, heute speist man riesige Datenmengen in einen Computer ein, um zu identifizieren, wer morgen ein "Gefährder" sein könnte. "Hessen-Data" heißt das Projekt, das die dortige Polizei betreibt, erst einmal in Sachen islamistischer Terrorismus. Man füttert den Rechner etwa mit Telekommunikations- und Social-Media-Daten und schaut, wo eine Nähe zum Terror bestehen könnte. Singelnstein kritisiert erstens, dass dadurch der Zweckbindungsgrundsatz ausgehebelt wird, also ein Fundament des Datenschutzes, wonach Daten nur zu dem Zweck eingesetzt werden dürfen, für den sie erhoben wurden. Und zweitens warnt er davor, dass die Polizei dadurch endgültig Gewohnheiten entwickeln könnte, wie man sie von Facebook und Co. kennt: Daten sammeln, was das Zeug hält.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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