Grünes Dilemma in Hamburger Koalition:"Eine Niederlage erlitten"

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Das tut weh: Die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk muss in Hamburg ausgerechnet ein Kohlekraftwerk genehmigen - will aber mit der CDU weiterregieren.

J. Schneider, R. Wiegand

Politisch abgelehnt, aber rechtlich nicht zu verhindern: Anja Hajduk, Hamburgs grüne Umweltsenatorin, musste am Dienstag den Neubau des Vattenfall-Steinkohlekraftwerks Moorburg genehmigen. Die Grün-Alternative Liste (GAL) will am 9. Oktober die Konsequenzen diskutieren - auch die Option, die Koalition mit der CDU zu verlassen.

Die Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk sieht den Neubau des Vattenfall-Steinkohlekraftwerk als Niederlage. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Die Grünen hatten Wahlkampf gemacht mit der Aussage, mit ihnen würde es Moorburg nicht geben. Haben Sie zu hohe Erwartungen erzeugt?

Hajduk: Die Grünen haben im Wahlkampf deutlich gemacht, wie ihre Klimapolitik aussieht. Unser Energieszenario will keine neuen Kohlekraftwerke. Das Besondere an Moorburg war, dass der Bau durch die von der Vorgängerregierung erteilte Vorabgenehmigung sehr weit fortgeschritten war. Ich räume ein, dass wir von einem gewissen Optimismus getragen waren, als wir den Koalitionsvertrag geschlossen haben. Es gab rechtliche Möglichkeiten, nach denen das Kraftwerk nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. In Wahlkampfzeiten werden ja in erster Linie politische Ziele in zugespitzter Form transportiert. Da müssen wir vielleicht vorsichtiger sein mit den Erwartungen, die wir wecken.

SZ: Wenn Sie ein Kraftwerk genehmigen müssen, das Sie nicht wollten, muss man von einem Scheitern reden.

Hajduk: Das ist sicher eine Niederlage, besonders für den Klimaschutz. Wir haben Wege gesehen, es rechtlich zu verhindern. Diese Wege waren da. Aber ich muss mich in der Verpflichtung meines Amtes auch fügen, wenn unsere Rechtsauffassung nicht durchsetzbar ist. So viel Ehrlichkeit muss man der Politik gestatten, dass es bei Rechtsfragen zwei Ausgänge geben kann.

SZ: Wie sehr erschüttert das die Glaubwürdigkeit der Grünen?

Hajduk: Die Kraftwerksfrage hat tatsächlich etwas mit der Glaubwürdigkeit der Grünen zu tun. Wir wollten alle Möglichkeiten nutzen, und wir mussten auch das Risiko aushalten, dass es nicht klappt. Aber die Chance zu nutzen, dazu stehe ich.

SZ: Wollen die GAL-Mitglieder jetzt den Ausstieg aus der Koalition?

Hajduk: Ich muss jetzt genau erklären, warum ich zu so einer Entscheidung gekommen bin. Ich habe schon oft wahrgenommen, dass die Grünen und ihre Sympathisanten sehr wohl bereit sind, zuzuhören und Realitäten zur erkennen - auch wenn sie nicht schmecken. Wir haben auf einer Etappe eine Niederlage erlitten. Wir werden auf einer Mitgliederversammlung alles diskutieren. Das Bedürfnis nach Information ist groß, es gibt auch kritische Stimmen, die meinen, wir müssten raus aus der Koalition. Aber viele fragen auch, was das politisch für uns bedeuten würde und wie wir unsere Ziele verfolgen können, auch wenn wir einen Rückschlag erlitten haben.

SZ: Moorburg kommt, wie es die CDU wollte. Haben Sie Steine von den Herzen Ihrer CDU-Senatskollegen fallen hören?

Hajduk: Ich habe gar keine Steine gehört. Die CDU hat mir überhaupt keine Probleme gemacht und sich klar an den Vertrag gehalten. Die Gründe für Moorburg liegen nicht in der Konstellation dieser Koalition. Ole von Beust hat mich auch nicht in der Art begleitet: "Na, da muss die arme Umweltsenatorin mal den schwierigen Fall machen, und ich schaue mir das aus der Distanz an." Wenn die rechtlichen Möglichkeiten zu einer Ablehnung von Moorburg geführt hätten, hätte er das mitgetragen. Aber er konnte sich auch darauf verlassen, dass wir andernfalls die Genehmigung geben. Ich will es mir nicht billig machen und es auf die Union abschieben.

SZ: Nun haben Sie zum Start der Legislaturperiode das klimawirksamste Mittel verloren. Die Schadstoffbilanz wird sich nicht wieder korrigieren lassen.

Hajduk: Über diese Koalition und die Grünen hinaus müssen wir uns die Frage stellen: Wie wollen wir denn unsere Klimabilanz in Deutschland überhaupt einhalten, wenn alle Kohlekraftwerke gebaut werden, die so manche große Partei für notwendige Übergangsszenarien halten? Die Menge an Kohlekraftwerken, die in wassernaher Lage im Norden geplant sind, halten wir für eine viel zu schwere Hypothek für unsere Klimaziele. Wir müssen an der bundesimmissionschutzrechtlichen Regelung etwas ändern. Dort muss der Klimaschutz eine Rolle spielen können, das tragen die Grünen in den Bundestagswahlkampf.

SZ: Wie wollen Sie das Verlierer-Image wieder loswerden? Selbst Hamburgs GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank sprach von krachender Niederlage.

Hajduk: Als Politikerin einzuräumen, nicht gewonnen zu haben, ist ja nicht falsch. Die Leute sagen da eher: Gut, dass das auch mal eine zugibt und nicht immer drum herum gefaselt wird. Moorburg ist kein kleiner Punkt, aber ich sehe so viele andere Bereiche in dieser Koalition, wo die CDU flexibel und zu neuen Wegen bereit ist. Wenn die Partei entscheidet, die Koalition nicht zu verlassen, sehe ich viele Ansatzpunkte. Wir müssen jetzt angemessen und ruhig miteinander reden - dann machen wir das Richtige.

© SZ vom 02.10.2008 / lawe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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