Grüne Urwahl:Eine Mahnung, kein Erfolg

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Die bescheidenen Wahlergebnisse von Göring-Eckardt und Özdemir zeigen, dass es bei den Grünen gärt. Das Spitzenduo muss nicht nur Wähler überzeugen, sondern auch die eigene Partei.

Von Stefan Braun

Die Damen und Herren von der Grünen-Spitze waren so froh über das Ende der Urwahl, dass sie anschließend von einem großartigen Wettbewerb, einer spannenden Auszählung und einem tollen Ergebnis sprachen. Nichts hätte krasser offenlegen können, wie sehr die Binnensicht mancher Grüner und die Wahrnehmung von außen inzwischen auseinanderklaffen. Die Grünen hatten auf ein Spektakel gehofft, auf Werbung in eigener Sache. Am Ende aber zog sich die Sache hin wie zäher Gummi. Als in Deutschland der Terror und die innere Sicherheit ins Zentrum der Debatte drängten, wirkte die Partei, als hätte sie keinen Plan und keine Führung. Das war kein guter Eindruck; es war ein miserabler Start in das Wahljahr.

Jetzt soll sich das, man ahnt es, grundlegend ändern. Sehr entschieden haben Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir erklärt, Wahlen seien Wahlen, und Ergebnis sei Ergebnis. Doch so entschlossen das klingen soll - es ist nicht mehr als eine Hoffnung. Denn ob die Grünen bei der Bundestagswahl reüssieren, ein gutes Ergebnis erzielen werden, hängt nicht allein vom Spitzenduo ab. Über die Wahlchancen der Partei werden vor allem die Verlierer der grünen Urwahl entscheiden.

An der doppelten Doppelspitze leidet die Partei

Das klingt nur zunächst paradox. Selbstverständlich wird viel an Göring-Eckardt und Özdemir hängen. Sie müssen es schaffen, dass sie im Wahlkampf möglichst viele Punkte, möglichst viele Stimmen sammeln. Sie müssen glaubwürdig den Eindruck erwecken, dass sie - gerade als potenzielle Mitglieder einer Regierung - in schwierigsten Momenten die richtigen Reflexe haben. Sie müssen liberal und weltoffen bleiben, aber auch die Sicherheit im Blick behalten. Doch selbst wenn ihnen das gelingen sollte, wäre es nicht viel wert, sollten die Verlierer der Urwahl die Geschlossenheit ruinieren.

Das gilt nicht nur für den linken Flügelmann Anton Hofreiter und den linksliberalen Robert Habeck, auch wenn beide Solidarität und Verlässlichkeit versprochen haben. Es gilt weit mehr für die ewig verfeindeten Jürgen Trittin und Winfried Kretschmann. Bei aller harschen Abneigung verband den Oberlinken und den Oberrealo in den letzten Jahren eine Überzeugung: Die doppelte Doppelspitze in Bundestagsfraktion und Partei wird die Grünen nicht nach vorne bringen.

So gesehen ist das Ergebnis ein Abbild der Probleme. Ohne Gegenkandidatin kam Göring-Eckardt auf nicht mehr als siebzig Prozent; Özdemir schlug zwar seine Widersacher, erhielt dabei aber gerade mal ein gutes Drittel der Stimmen. Das war für beide keine klare Bestätigung, sondern eine Mahnung. Sollten die beiden aus dem Realo-Lager von einem Realo-Kurs geträumt haben, werden ihnen ihre bescheidenen Wahlergebnisse nicht helfen. Sie müssen nach dem fast Unmöglichen streben: Die eigenen Unterstützer glücklich machen, ohne die Gegner vom linken Flügel vor den Kopf zu stoßen. Ein Erfolg bei der Urwahl ist nicht mehr als ein Anfang. Ob die Partei hinterher mitmacht, entscheidet sich viel später.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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