Gründung der neuen Linken:Vom Wunsch, das Original zu sein

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Noch gibt es kein Programm. Und ob sie regieren wollen, wissen die neuen Linken auch noch nicht. Macht nichts. Erst einmal gerieren sie sich als bessere Sozialdemokraten, um normal genug für die Wähler zu werden. Ob das mit der Forderung nach Verstaatlichung klappt?

Thorsten Denkler, Berlin

Die neue Linke hat einen klaren politischen Gegner: Alle anderen. Union und FDP sowieso. Die SPD speziell. Die Grünen immer öfter.

Oskar Lafontaine, der am Nachmittag neben Lothar Bisky zum ersten Vorsitzenden der neuen Linken gewählt wird, hat für diese umfassende Gegnerschaft einen neuen Begriff geprägt auf dem Gründungsparteitag im Berliner Event-Hotel Estrel. Es spricht von den "Reformchaoten" im Bundestag.

Die Botschaft ist einfach: Diese "Reformchaoten" hätten die Sozialsysteme zerstört, Deutschland in völkerrechtswidrige Kriege geführt und die Demokratie in eine tiefe Krise gestürzt, weil eine Mehrheit im Bundestag regelmäßig gegen die Mehrheit der Bevölkerung entscheide. Wer mit all dem nicht einverstanden sei, der müsse die Linke wählen.

Das aber fällt trotz des jüngsten Wahl-Erfolgs in Bremen vor allem im Westen den allermeisten nicht ein. Links ist ja OK. Aber soweit links? Na ja.

Deswegen scheint es nun das erste Ziel der Linken zu sein, wählbar zu werden. Immer wieder werden die großen Chancen hervorgehoben, die sich der Linken jetzt auch im Westen böten. Einige träumen davon, so stark werden zu können, dass sich die Partei über kurz oder lang "den Koalitionspartner aussuchen kann", wie ein Delegierter sagte.

Das aber würde voraussetzen, dass die Partei regieren will. Die Parteiführung ist eher dafür. Die Basis streitet noch. Klaus Lederer, bisher Parteichef der PDS in Berlin, sah sich bei jedem seiner zahlreichen Kurzauftritte gezwungen, um Verständnis für die "besondere Situation" in Berlin werben zu müssen. Zu einem höheren Applaus-Pegel hat das nicht geführt.

Lafontaine und Bisky berufen sich auf Brandt

Als erste Wählerwerbungs-Maßnahme versuchen die altersgrauen Frontmänner der neuen Partei, sich einen Anstrich von Normalität zu geben. Gysi sprach gar von einer "Mischung aus Seriosität und Wachheit", die der Zusammenschluss von PDS und WASG mit sich brächte. Bisky und Lafontaine wiederum versuchten mit dem Verweis auf Willy Brandt, sich den unzufriedenen Sozialdemokraten als Alternative anzubieten.

Zwei Brandt-Sätze zitierten sie, die genau in die Programmatik zur Linken passen könnten, wenn es denn schon ein Programm gäbe. Das muss ja erst noch erarbeitet werden. Der eine Satz: "Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen". Zitiert von Oskar Lafontaine, der von sich immerhin behaupten kann, einer der Nachfolger Brandts als SPD-Chef gewesen zu sein. Der andere Satz: "Wir wollen mehr Demokratie wagen". Zitiert von Lothar Bisky.

Auch wenn Bisky unter Beifall sagte: "Wir brauchen keine zweite Sozialdemokratie". Hinter dem Verweis auf SPD-Größen der Nachkriegszeit steht der versteckte Hinweis: "Wir sind die besseren Sozialdemokraten".

Es sind die Inhalte der SPD aus der Gründerzeit der alten Bundesrepublik, die sich die Linke jetzt auf ihre Fahnen schreibt. Auch in der Wirtschaft. Wenn Lafontaine von der "Rekommunalisierung der Energieversorgung" spricht, dann klingen darin Forderungen von Kurt Schumacher mit, dem ersten SPD-Parteichef nach 1945.

Hinter der Rekommunalisierung steckt nichts anders als Schumachers Idee von der Vergesellschaftung wichtiger Industriezweige. Lafontaine übersetzt das als notwendige Verstaatlichung der Stromkonzerne der Gas- und Wasserversorgung, der Bahn. Ähnlich, wie es derzeit die sozialistisch geführten Länder in Südamerika vormachen. "Sie geben uns Hoffnung", sagte Lafontaine.

Die nächsten Wahlen werden zeigen, ob es bei der linken Hoffnung auf mehr Wählerstimmen bleibt oder ob sich mit Verstaatlichung Staat machen lässt.

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