Große Koalition:Geschwätzigkeit statt Prävention

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Vor einem Jahr schrieben Union und SPD in den Koalitionsvertrag, dass Killerspiele verboten werden solllen. Seitdem ist nichts geschehen - warum es immer noch Killerspiele gibt.

Robert Roßmann

Eigentlich dürfte es die Debatte über Killerspiele gar nicht mehr geben. SPD und Union haben sich schon vor einem Jahr auf ein Verbot verständigt. Im Koalitionsvertrag heißt es etwas gestelzt, die neue Bundesregierung wolle "hierzu unverzüglich in einen zielorientierten Dialog mit den Ländern eintreten".

Nun ist es mit dem unverzüglichen zielorientierten Dialog im deutschen Föderalismus aber so eine Sache. Was bedeutet: Killerspiele sind auch zwölf Monate nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags noch nicht verboten.

Dabei hat es an Warnungen nicht gefehlt. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte erst im Juni eindringlich erklärt, die Politik dürfe sich nicht so lange Zeit lassen, bis der nächste jugendliche Amokläufer töte. Anstatt darüber zu diskutieren, wie Killerspiele auf Jugendliche wirkten, sollte "schnellstens präventiv gehandelt werden".

Markige Worte

Kein Wunder also, dass Schünemann gleich nach dem Amoklauf von Emsdetten eine Bundesratsinitiative seines Landes gegen die Killerspiele ankündigte. Ziel sei ein Herstellungs- und ein Verbreitungsverbot, sagte Schünemann. Das Herstellungsverbot sei zwar schwer umzusetzen, da der Großteil der Spiele im Ausland programmiert werde. Zusammen mit dem Verbreitungsverbot sei es aber ein Signal und "ein wichtiger erster Schritt".

Außerdem müsse man sich eingestehen, dass die freiwillige Selbstkontrolle der Software-Hersteller gescheitert sei. Die Selbstkontrolle müsse deshalb durch ein Aufsichtsgremium in "rein staatlicher Hand" ersetzt werden.

Am Dienstag bekam Schünemann für diese Vorschläge reichlich Unterstützung aus der Union. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sagte, es dürfe jetzt "keine Ausreden und Ausflüchte mehr geben". Die Spiele, die auch den Amokläufer von Emsdetten aufputschten, seien "unverantwortliche und indiskutable Machwerke, die in unserer Gesellschaft keinen Platz haben dürfen".

Nicht ohne Genugtuung verwies der CSU-Chef darauf, dass sein Land schon nach dem Amoklauf von Bad Reichenhall 1999 ein Verbot gefordert habe. In den vergangenen sieben Jahren seien aber entsprechende Initiativen des Freistaats mehrmals abgeschmettert worden. Angesichts des neuen Falls werde man jetzt aber eine weitere Bundesratsinitiative starten.

Klage über Scheindebatte

Wie umstritten ein Verbot der Spiele noch immer ist, zeigten die Reaktionen auf den Vorstoß Niedersachsens und Bayerns. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz nannte die Verbotsdebatte "vordergründig" und warnte vor einer "kurzschlüssigen Patentreaktion". Wichtiger seien Frühwarnsysteme in der Gesellschaft und "regelrechte Polizeistreifen im Internet". Auch die Gewerkschaft der Polizei warnte vor "Scheindebatten". Diese lenkten nur "von der Hilflosigkeit und Oberflächlichkeit derjenigen ab, die sie in Gang setzen".

Notwendig sei vielmehr eine Ursachensuche und Bestandsaufnahme, erklärte der Bund der Kriminalisten (BDK). "Die Gesellschaft sollte sich die Frage stellen, warum die Zahl der Gewaltdelikte junger Leute in vielen Bundesländern in den vergangenen Jahren teils zweistellig gestiegen ist", sagte BDK-Chef Klaus Jansen.

Die Grünen kritisierten die Unionsforderungen gar als "Pawlowschen Reflex". Computerspiele würden immer dann als Sündenbock herangezogen, wenn die Länder nach spektakulären Fällen mal wieder ihr eigenes Versagen in der Bildungs- und Jugendhilfepolitik kaschieren wollten, erklärte die Grünen-Fraktion. Dieses Verhalten sei zynisch. Schließlich habe die Wissenschaft bisher keinen einfachen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Killerspielen und kriminellen Handlungen beweisen können.

© SZ vom 21.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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