Große Koalition:Auf der Suche nach der frohen Botschaft

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Union und SPD wollen in dieser Woche auf Schloss Meseberg ihre weitere gemeinsame Politik beraten. Sie brauchen den Erfolg - um gegeneinander Wahlkampf führen zu können.

Jens Schneider

Wenn ausgebrannte Top-Manager neue Orientierung suchen wollen, ziehen sie sich gern an Orte zurück, wo sie keinerlei Reiz von der Selbstfindung ablenkt und doch größte Annehmlichkeit erwartet. Eine gute Autostunde im Norden von Berlin gelegen, bietet das kleine Meseberg genau diesen Reiz der Reizlosigkeit.

Schloss Meseberg, das Gästehaus der Bundesregierung, soll die richtige Umgebung bilden für eine Verständigung zwischen den Koalitionsparteien. (Foto: Foto: ddp)

Wenn nicht gerade wieder eine Kolonne schneller Dienstwagen zum Gästehaus der Bundesregierung vorbeizieht, fühlt sich der Ort an, als gäbe es dort gar keine Zeit. Und das weiß leuchtende Schloss am Ortsende erscheint mit seiner in dieser Ödnis unwirklichen Schönheit als ideale Kulisse, um Klarheit zu finden.

Wer noch immer dem Irrglauben anhängt, die Kanzlerin habe kein Interesse und kein Gespür für Inszenierungen, sollte in dieser Woche genau beobachten, wie sie den Zauber dieses Ortes einsetzt.

Denn ganz gleich, wie viel vorher über den Zwist und die Erschöpfung der Großen Koalition gesprochen wird, von der am Donnerstag beginnenden Klausur des Bundeskabinetts soll, so die erklärte Devise im Kanzleramt, ein Signal des zweiten Aufbruchs ausgehen.

Beunruhigt haben die Kanzlerin und ihr Umfeld den Spott vernommen, dass die Regierung spätestens von Herbst an nichts mehr zustande bringen wird, weil der Koalitionsvertrag abgearbeitet ist und für neue Projekte der gemeinsame Wille fehlt. Um diesem verheerenden Eindruck entgegenzuwirken, hat sie die Klausur in Meseberg angesetzt.

Streitthemen lieber ausgeklammert

Den aktuellen Kontroversen werden sich an diesem Montag in Berlin die Chefs der drei Parteien, Angela Merkel (CDU), Kurt Beck (SPD), Edmund Stoiber (CSU) sowie Vizekanzler Franz Müntefering widmen. Meseberg soll dagegen der Harmonie und dem Ansehen der Regierung dienen.

Wenn vorweg nach Themen der Klausur gefragt wird, werden potentielle Streitthemen von Merkels Gefolgsleuten am liebsten ausgeklammert. Deren Nennung könnte die frohe Botschaft trüben.

Und die CDU braucht die Harmonie, um vor den - vor allem für Roland Koch in Hessen - heiklen Landtagswahlen als souveräne Staatslenkerin zu erscheinen. Gesucht wird das große Thema, von dem - da gibt sich die Union großzügig - beide Koalitionspartner in den nächsten Monaten öffentlich profitieren können.

Als Favorit für diese Rolle wird Merkels aktuelles Lieblingsthema Klimaschutz gehandelt, bei dem auch Umweltminister Sigmar Gabriel glänzen könnte. Die Sache sei auf bestem Wege, heißt es aus ihrem Lager. Merkels Reise nach Grönland bereitete dafür ebenso den Boden wie ihre jüngste Mahnung, dass man nicht jede Umweltschutzmaßnahme reflexartig als Belastung für die Wirtschaft bewerten dürfe.

Diesem Leitsatz soll sich auch der christsoziale Wirtschaftsminister Michael Glos nicht verschließen. Er dürfte sich nur in Maßen als Beschützer der Wirtschaft vor übertriebenen Eingriffen profilieren, um Merkels großen Wurf nicht gleich zu konterkarieren.

Frustrierte Sozialdemokraten

Als zweites, mögliches Überraschungsthema wird die Idee einer umfassenden Offensive für den Arbeitsmarkt gehandelt. Dazu könnten Initiativen gegen den Fachkräftemangel und für eine Verstetigung des Aufschwungs, aber auch Hilfen für jene gehören, die bisher nicht vom Aufschwung profitieren.

Doch gerade bei diesem Thema liegen die Koalitionäre weit auseinander - und in der SPD wird sehr darauf geachtet, dass bei einem vermeintlichen Gewinner-Thema für alle nicht schon wieder nur die Kanzlerin und ihre Union profitieren.

Frustriert registrieren Sozialdemokraten, dass sie zwar zentrale Ministerien wie das Finanzressort und das Arbeitsministerium für das Land erfolgreich führen, in den Umfragen aber weit hinter die CDU/CSU zurückgefallen sind. Und die SPD wirkt zerrissen.

Soll sie sich endlich stolz und uneingeschränkt zur eigenen Politik bekennen, wie es Finanzminister Peer Steinbrück jetzt mit seiner Warnung vor anhaltendem "Heulsusentum" empfohlen hat. Oder muss die SPD sich mehr gegen die Union profilieren, um aus dem Tief zu finden?

Entscheidend dürfte sein, welchen Ansatz Vizekanzler Müntefering bevorzugt. Sein bitterer Auftritt nach der gescheiterten Einigung in Sachen Mindestlohn vor der Sommerpause war eine Zäsur in der Geschichte dieser Koalition. Erstmals demonstrierte er offen große Distanz in seinem für die Koalition so wichtigen Verhältnis zur Kanzlerin.

Chance nutzen

Wirklich versöhnt wirkt er nach dem Sommer noch nicht. Vielmehr hat Müntefering vorweg dafür gesorgt, dass in Meseberg noch einmal über den Mindestlohn gestritten werden dürfte. Damit wird diese Exkursion kaum so einträchtig enden wie die erste Klausur zum Regierungsstart in Genshagen.

Aber auch die Sozialdemokraten wollen die Chance für ein überwölbendes positives Signal für den zweiten Aufbruch der Koalition nicht verpassen. So wird bis zum Donnerstag in beiden Lagern um die richtige Botschaft gerungen.

© SZ vom 20.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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