Großbritannien:Vorwärts zum Ursprung

Der Labour-Linke Corbyn wäre ein guter Parteichef.

Von Christian Zaschke

Jeremy Corbyn reagiert auf die Anfeindungen des Labour-Establishments auf die einzig angemessene Weise: gar nicht. Seit Wochen versuchen aktuelle und ehemalige Parteigrößen ihn als linken Spinner darzustellen, der mit Terroristen sympathisiert und die Wirtschaft abwürgen will. Auf keinen Fall dürfe die Partei ihn zum neuen Vorsitzenden wählen, denn das wäre: die Katastrophe, das Ende, der Untergang. Der 66-jährige Corbyn nimmt es gelassen. Er hat in seiner langen Laufbahn als Politiker viele Kämpfe ausgefochten. Die Meinung des Establishments interessierte ihn dabei nie.

Die Basis ist begeistert von Corbyn, weil sie sieht, dass es ihm nicht um seine Karriere, sondern um die Sache geht. Seine Gegner sagen, er sei ein Mann von gestern. Doch könnte für die Labour-Partei gerade in der Wahl Corbyns die Chance zu einer Debatte über ihre Wurzeln liegen. Genau diese Diskussion braucht die Partei nach der drastischen Niederlage bei den Wahlen im Mai.

Gewiss, Corbyn kann die nächste Wahl im Jahr 2020 kaum gewinnen, doch das ist kein Argument, um ihm jetzt den Vorsitz zu verweigern. Corbyn weiß, dass er ein Chef des Übergangs wäre, und er ist so integer und konsequent, dass er den Platz an der Spitze aller Voraussicht nach rechtzeitig räumen würde. Sein Nachfolger könnte dann eine Partei übernehmen, die über sich nachgedacht hat und im besten Fall wieder weiß, wer sie ist.

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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