Großbritannien:Schäuble warnt Briten vor Steuer-Dumping

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Premier Theresa May will den niedrigsten Unternehmensteuersatz der 20 größten Industrienationen einführen. Finanzminister Schäuble ärgert das: London müsse sich an europäisches Recht halten.

Von Christian Zaschke, London

Großbritanniens Premierministerin Theresa May strebt den niedrigsten Unternehmensteuersatz der 20 größten Industrienationen (G 20) an. Dies sagte sie am Montag bei einem Vortrag vor dem britischen Unternehmerverband CBI in London. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte die Pläne umgehend. Er warnte Großbritannien davor, einen Dumping-Wettbewerb auszulösen. "Noch ist Großbritannien Mitglied der Europäischen Union", sagte er, "also sind sie an europäisches Recht gebunden." Sollte Großbritannien eines Tages nicht mehr der EU angehören, sei London an die Vereinbarungen der G-20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer gebunden - "jedenfalls, wenn sie anständige Leute sind". In dem Gremium habe man sich darauf geeinigt, keinen Steuerwettbewerb mit immer niedrigeren Sätzen zu beginnen.

Bereits 2015 hatte der damalige britische Finanzminister George Osborne angekündigt, die Unternehmensteuer bis 2020 von 20 auf 17 Prozent zu senken. Eine weitere Senkung auf 15 Prozent hatte er im Juli ins Spiel gebracht. May nannte bei ihrer Rede am Montag hingegen keine Zahlen.

Der designierte amerikanische Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf versprochen, die Unternehmensteuer in den USA auf 15 Prozent zu senken. Mays Aussage, den niedrigsten Satz der G-20-Staaten anzustreben, könnte so interpretiert werden, dass sie ebenfalls eine Senkung auf 15 Prozent wolle. Im britischen Finanzministerium geht man allerdings davon aus, dass man auch mit der bereits geplanten Senkung auf 17 Prozent als Standort attraktiver sei als die USA, weil Unternehmen dort noch andere Abgaben zahlen müssten. Es ist also möglich, dass May an Osbornes Plan festhält und ihre Aussage eher dazu diente, den versammelten Unternehmern dies noch einmal zu versichern.

Mays erste Auftritte als Premierministerin hatte die Wirtschaft mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Das liegt daran, dass die Regierung es bisher vermeidet, konkret zu erläutern, wie sie sich die Umsetzung des Brexit vorstellt. Am Montag versicherte May, sie nehme die Sorgen der Menschen ernst, die einen geordneten Übergang wollten.

Viele Unternehmen befürchten, dass der Brexit ihnen finanzielle Nachteile bringen wird. Diese Sorgen versuchte May zu zerstreuen. Zudem kündigte sie die Einrichtung eines Innovationsfonds an, der jährlich mit 2,3 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Im Sommer hatte May gesagt, dass sie britische Unternehmen nach deutschem Vorbild dazu verpflichten wolle, Vertretern der Belegschaft Sitze in den Führungsgremien zu geben. Diese Aussage relativierte sie am Montag: Sie sei zwar weiterhin für ein stärkeres Mitspracherecht von Arbeitnehmern, wolle dies jedoch nicht verpflichtend machen. Weitere Eckpunkte ihrer Wirtschaftspolitik werden für diesen Mittwoch erwartet, wenn Finanzminister Philip Hammond im britischen Parlament den ersten Haushalt seit dem Votum für den Brexit präsentiert.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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