Großbritannien:Nix and Chips

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Den Briten schwimmen die Fische für ihr Nationalgericht davon.

Von Christian Zaschke

Seit Joseph Malin vor mehr als 150 Jahren im Londoner East End den ersten Fish-and-Chips-Laden Großbritanniens eröffnete, ist das Gericht von der Insel nicht mehr wegzudenken. Erst Dutzende, dann Hunderte, schließlich Tausende Unternehmer folgten seinem Beispiel und boten in Backteig frittierten Fisch mit dicken, ebenfalls frittierten Kartoffelstäbchen an. Heute gibt es immer noch mehr als 10 000 Fish-and-Chips-Läden im Land, trotz der Konkurrenz durch Fast-Food-Ketten, Dönerbuden und Curry-Häuser. Fish and Chips ist das inoffizielle Nationalgericht, und wer das Vereinigte Königreich besucht, ohne es wenigstens zu probieren, hätte im Grunde auch zu Hause bleiben können. Die beiden Grundregeln für Touristen lauten ja: erstens, unbedingt Fish and Chips essen. Zweitens, bloß nicht zu Madame Tussauds gehen.

In der Regel wird Kabeljau benutzt, Schellfisch ist auch beliebt, und das Gute daran war bisher, dass diese Fische in großer Zahl um die Insel herum durch die kühle Nordsee schwammen. Nun wird die Nordsee allerdings wärmer. Die Temperatur an der Wasseroberfläche ist seit Anfang der Achtzigerjahre von 10 auf 11,7 Grad Celsius gestiegen. Die Fische sind davon nicht sonderlich angetan und verflüchtigen sich darum immer weiter nach Norden. Dafür siedeln sich neue Gäste in den britischen Gewässern an: Sardinen, Sardellen - und vor allem Tintenfische.

Das britische Zentrum für Umwelt-, Fischerei- und Aquakultur-Wissenschaften hat am Montag eine Studie präsentiert, derzufolge sich die Population in den Gewässern deutlich verändert. "Es werden immer mehr Spezies gefangen, die man eigentlich mit Portugal oder Spanien in Verbindung bringt", sagt John Pinnegar, Experte für maritimen Klimawandel. Seine Prognose ist, dass die Erwärmung sich in den kommenden Jahren fortsetzt. "Für die Briten heißt das, dass sie ihre Ernährung anpassen werden", sagt Pinnegar. Das könnte bedeuten, dass Fish and Chips in zehn Jahren als beliebtestes Gericht abgelöst wird - zum Beispiel von Squid and Chips, frittiertem Tintenfisch mit Pommes. Gewiss auch lecker, aber eben nicht dasselbe.

Die Methode, den Fisch in Teig zu frittieren, kam vermutlich mit jüdischen Einwanderern ins Land, die Chips wohl aus Frankreich oder Belgien. Die Kombination erwies sich als golden. Wie wichtig Fish and Chips für Großbritannien wurde, zeigte sich unter anderem daran, dass das Gericht im Zweiten Weltkrieg nicht rationiert wurde.

Wenn man seine Portion nicht an einer Bude zum Mitnehmen bestellt, sondern im Restaurant, so werden gern zerstampfte Erbsen - mushy peas - dazu gereicht, die in der Regel auf erstaunlichste Weise nach überhaupt nichts schmecken. Die Pommes werden dafür mit Salz und Essig veredelt, wobei im Norden und in Schottland statt Essig oft eine braune, überraschend leckere Soße verwendet wird. 382 Millionen Portionen werden in Großbritannien jedes Jahr verzehrt, umgerechnet 1,4 Milliarden Euro lassen die Briten sich das kosten. Diese genauen Zahlen stellt freundlicherweise die "Nationale Föderation der Fischfrittierer" zur Verfügung - und ja, auf der Insel gibt es die wirklich, seit mehr als einhundert Jahren.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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