Großbritannien:Meine Presseschau

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Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: Bernd Schifferdecker)

SZ-Korrespondent Christian Zaschke führt durch die britische Presselandschaft von Guardian bis Sun.

Ausgewählt von Christian Zaschke

Es wäre eine Untertreibung, die britische Presselandschaft als ein wenig speziell zu bezeichnen. Besonders die Kolumnisten der Boulevard-Blätter schreiben gern Kommentare, die in einer Weise wutgetränkt sind, die auf dem Kontinent ihresgleichen sucht. Derzeit zeigt sich diese Presselandschaft von ihrer wütendsten Seite, denn in knapp zwei Wochen stehen Unterhaus-Wahlen an. Sämtliche Zeitungen beziehen eindeutig Position und versuchen gar nicht erst, auch nur den Anschein von Ausgewogenheit zu erwecken. Dabei können sich die Tories größerer Unterstützung erfreuen als die Labour-Partei. Zwei Drittel der britischen Zeitungen gelten als konservativ, allen voran die Daily Mail, der Daily Telegraph sowie die Blätter des Medienunternehmers Rupert Murdoch.

Der Independent berichtete diese Woche, dass Murdoch seine Zeitungen angewiesen habe, sich noch eindeutiger zu positionieren. Das Blatt schrieb: "Der Besitzer von Großbritanniens auflagenstärkster Boulevard-Zeitung hat führende Mitarbeiter davor gewarnt, dass eine Labour-Regierung versuchen werde, den Konzern News Corp zu zerschlagen, dem The Sun, The Times und The Sunday Times gehören. Er hat sie angewiesen, Labour wesentlich aggressiver zu attackieren und in den Wochen vor der Wahl die Leistungen der Konservativen positiv zu würdigen." Ein Sprecher der Sun teilte dazu mit: "Wie immer wird die politische Berichterstattung der Sun davon bestimmt, wie die Parteien die Themen angehen, die für unsere Leser am wichtigsten sind. Wenn (Labour-Chef) Ed Miliband die Sorgen der Sun-Leser ignoriert, ist es unsere Verantwortung, diese Entscheidung zu reflektieren."

Auch der Telegraph ist dem Labour-Chef nicht wohlgesonnen. Er stellt fest: "Seit er den Vorsitz der Labour-Partei übernommen hat, wehrt sich Ed Miliband dagegen, als ,Roter Ed' bezeichnet zu werden, aber seine Kritiker sind nicht zufrieden." Ob diese Kritiker vielleicht "übereifrig" seien, fragt das Blatt - um dann in Form eines Quiz auf die Parallelen in den Wahlprogrammen von Labour und der Kommunistischen Partei Großbritanniens hinzuweisen.

Den Vorwurf, Kommunisten zu sein, machen konservative Blätter Labour-Politikern gern. Besonders drastisch formulierte es diese Woche die Daily-Mail-Kolumnistin Sarah Vine. Auf ihrer Facebook-Seite teilte sie mit, unter einer Labour-Minderheitsregierung, die sich von der Scottish National Party (SNP) dulden ließe, werde das Land zur "kommunistischen Diktatur". SNP-Chefin Nicola Sturgeon wird als "gefährlichste Frau Großbritanniens" bezeichnet.

Im linksliberalen Guardian merkte der schottische Komiker Frankie Boyle in einem Gastbeitrag an: Wenn die Journalisten der Mail Nicola Sturgeon ernsthaft für gefährlich hielten, könne das nur daran liegen, dass sie keine anderen schottischen Frauen kennen. Außerdem warf er einen Blick auf die EU-feindliche UK Independence Party (Ukip) und schlug dabei einen gewagten Bogen zu den Vorwürfen, Teile des britischen Establishments hätten in den Sechziger- und Siebzigerjahren systematisch Minderjährige missbraucht. Er schrieb: "Wenn wir eine Gesellschaft geworden sind, die sich selbst zur Satire macht, ist die Ukip für den Slapstick zuständig, für die einfachen Lacher. Sie haben sogar einen Kandidaten, der als Pornostar arbeitet. Natürlich, er wäre nicht der erste Abgeordnete, der sich beim Sex filmen lässt. Aber er wäre der erste, der das mit einer erwachsenen Person tut, die er am Leben lässt." In Zeiten des Wahlkampfs zeigt sich auch der britische Humor von seiner derbsten Seite.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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