Großbritannien:Labour fordert neues Referendum

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Gute Laune trotz Verlusten: Jeremy Corbyn will nun doch keinen Brexit. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Jeremy Corbyn hat lange eine klare Position zum Brexit vermieden. Jetzt spricht er sich für einen Verbleib in der EU aus.

Die britische Labour-Partei hat sich für ein erneutes Brexit-Referendum ausgesprochen. Der künftige Premierminister solle das Volk darüber abstimmen lassen, ob Großbritannien in der EU bleiben oder ausscheiden solle - mit oder ohne Vertrag, sagte Oppositionsführer Jeremy Corbyn am Dienstag. Labour werde dann für einen Verbleib in der EU kämpfen.

Gegner und Anhänger haben Labour immer wieder vorgeworfen, keine klare Position zum Brexit zu beziehen, aus Angst, Wähler aus einem der beiden Lager zu verprellen. Jüngste Wahlergebnisse legen jedoch nahe, dass Labour Stimmen an Parteien wie die Liberaldemokraten und die Grünen verliert, die für einen Verbleib Großbritanniens in der EU sind.

Die regierenden Konservativen entscheiden derzeit in einer Urwahl darüber, wer neuer Parteivorsitzender und damit auch Premierminister wird: Außenminister Jeremy Hunt oder sein Vorgänger Boris Johnson. Letzterer gilt dabei als Favorit. Bis zum 23. Juli soll sich das innerparteiliche Rennen bei den Tories entscheiden.

Der Sieger des mehrstufigen Prozesses soll auch Premierminister werden. Derjenige hat dann noch gut drei Monate bis zum aktuellen Brexit-Termin am 31. Oktober Zeit, um eine Mehrheit für einen Austrittsvertrag zu finden. Andernfalls scheidet Großbritannien ohne Abkommen aus der EU aus, was nach Ansicht der meisten Experten einen schweren Schaden für die Wirtschaft bedeuten würde.

Eine knappe Mehrheit der britischen Wähler hatte sich vor drei Jahren für einen Brexit ausgesprochen. Die Einzelheiten des Austritts wurden in einem Vertrag mit der EU geregelt, für den die konservative Premierministerin Theresa May aber im Parlament keine Mehrheit fand. Sie hat deshalb ihren Rücktritt angekündigt. Nach knapp drei Jahren an der Spitze der Tories gab May ihr Amt als Parteivorsitzende im Juni ab, nachdem sie nach langen Verhandlungen sowohl mit der EU als auch der eigenen Partei und der britischen Opposition gescheitert war, Großbritannien geordnet aus der Europäischen Union zu führen.

Die Labour-Partei lehnte Mays Vertrag ab, war aber auch gegen einen EU-Austritt ohne Abkommen. Stattdessen strebte sie Neuwahlen an, in der Hoffnung, dann selbst an die Regierung zu kommen. Der langjährige EU-Kritiker Corbyn sträubte sich zudem gegen eine neue Volksabstimmung und forderte, Labour müsse den Wählerwillen von 2016 akzeptieren.

Nun forderte Corbyn, dass die Briten in beiden Fällen das letzte Wort haben und sich für eine Abkehr vom EU-Austritt entscheiden können. "Wer auch immer der nächste Premierminister sein wird, sollte das Selbstvertrauen haben, seinen Deal oder No Deal der Bevölkerung in einer öffentlichen Abstimmung vorzulegen", sagte der Labour-Chef.

Der Druck auf die Parteiführung, ihre Position zu ändern, ist groß. Die Mehrheit der Basismitglieder ist dafür, dass Großbritannien in der EU bleibt. Die großen Gewerkschaften, die die Labour-Partei unterstützen, haben sich darauf geeinigt, sich für ein zweites Referendum auszusprechen.

In einem Brief an die Mitglieder der Partei schrieb Corbyn: "Labour hat einen Kompromissplan vorgelegt, um zu versuchen, das Land auf der Grundlage einer Zollunion, einer starken Binnenmarktbeziehung und des Schutzes von Umweltvorschriften und -rechten am Arbeitsplatz zusammenzubringen", heißt es darin. "Wir glauben weiterhin, dass dies eine vernünftige Alternative ist, die das Land zusammenbringen könnte." Trotz Corbyns Sinneswandel ließ der Brief einen wichtigen Punkt offen: Es blieb unklar, was Labour in Sachen Brexit zu unternehmen gedenkt, falls die Partei selbst an die Regierung kommt.

© SZ vom 10.07.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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