Großbritannien:Die Queen als Ruhepol

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Das blau-gelbe Outfit der Queen sorgte in Westminster für Spekulationen: ein subtiles Statement für die Europäische Union? (Foto: Carl Court/AFP)

Elizabeth II. stellt das Regierungsprogramm vor - dabei steht der Brexit im Mittelpunkt. Aber noch interessanter ist, was die Königin nicht vorträgt.

Von Christian Zaschke, London

Die Königin kam im Auto, und das wirkte wie ein Symbol dafür, dass Großbritannien derzeit ungewöhnliche Zeiten erlebt. An diesem Mittwoch stand die Queen's Speech an: Elizabeth II. verlas das Programm der Regierung und eröffnete damit offiziell das Parlament. Normalerweise legt sie die Strecke vom Buckingham Palace bis zum Palast von Westminster, in dem sich Unter- und Oberhaus befinden, in einer prunkvollen Kutsche zurück. Normalerweise trägt sie zu diesem Anlass aufwendige Roben, und normalerweise wird sie von ihrem Ehemann Prinz Philip begleitet. In diesem Jahr war alles anders.

Philip konnte an der Zeremonie nicht teilnehmen, weil er ins Krankenhaus gebracht worden war. Der 96 Jahre alte Prinzgemahl habe einen Infekt, hieß es, sei aber ansonsten wohlauf. Es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme. Erst vor wenigen Wochen hatte Philip mitgeteilt, dass er sich im Herbst dieses Jahres weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückziehen werde. Die 91 Jahre alte Königin wird also künftig öfter allein oder in Begleitung anderer Mitglieder der königlichen Familie auftreten. Am Mittwoch wurde sie von ihrem Sohn Prinz Charles begleitet.

Dass sie mit dem Auto kam, dass sie ein einfaches Kleid trug und keine Krone, lag vor allem daran, dass Premierministerin Theresa May vorgezogene Neuwahlen ausgerufen hatte. Da in der Folge, wie es hieß, zu wenig Zeit gewesen sei, um die aufwendige Zeremonie angemessen zu proben, wurde ein gerafftes und deutlich weniger spektakuläres Prozedere geplant. Das umfasste zwar immer noch reichlich Glanz und Gloria, war aber im Vergleich zu anderen Jahren fast schlicht. Dem Vernehmen nach war das dem Palast ausgesprochen recht, denn es passte besser zur Stimmung im Land, die die Königin nach den jüngsten Terroranschlägen und dem Hochhausbrand im Westen Londons als "düster" beschrieben hatte. Ein Auftritt in vollem Ornat hätte unangemessen wirken können.

Selbst wenn es in erster Linie organisatorischen Gründen geschuldet war, passte das zurückgenommene Erscheinungsbild der Queen zu ihren jüngsten Auftritten. Während die Politiker mit einem Wahlkampf beschäftigt waren, der von Terroranschlägen unterbrochen wurde, und nun damit zurechtkommen müssen, dass es keine stabile Regierung gibt, ist Elizabeth II. der ruhende Pol des Landes. Besonders augenfällig wurde das, als die Queen in der vergangenen Woche das abgebrannte Hochhaus besuchte und mit Überlebenden und Helfern sprach - was die Premierministerin bis dahin versäumt hatte. Das erinnerte in seiner Gegensätzlichkeit an die Achtzigerjahre, als Margaret Thatcher das Land radikal umbaute und die Königin derweil unablässig das Ehrenamt und freiwilliges Engagement pries. Wer wollte, konnte ihre damaligen Äußerungen als Gegenstimme zur sozialen Kälte des neoliberal geprägten Großbritanniens verstehen.

Wen sie nicht erwähnte, obwohl er für dieses Jahr eingeladen ist: Donald Trump

Inhaltlich war die Rede, die von der Regierung geschrieben und von der Königin lediglich vorgetragen wird, erwartungsgemäß eher vage. Da die Konservativen ihre Mehrheit verloren haben und von der Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) abhängig sind, ist wenig Spielraum für weitreichende politische Projekte. Das beherrschende Thema war der Austritt aus der EU. Von den 27 angekündigten Gesetzen beziehen sich allein acht auf den Brexit. Diese betreffen unter anderem Immigration, Handel, Zölle und Fischerei. Vorgesehen ist ein Ende der Freizügigkeit, was bedeutet, dass es eine Beschränkung des Zuzugs von EU-Bürgern geben wird. Wie das im Detail aussehen soll, wurde nicht festgelegt.

Interessant war vor allem, was nicht im Programm stand. Im Wahlkampf hatte May unter anderem einen Umbau des Schulsystems versprochen und eine Abstimmung darüber, die Fuchsjagd mit Hunden wieder zu erlauben. Beides ist kontrovers, und von beidem ist nun keine Rede mehr. Zudem ist es üblich, dass die Queen in ihrer Rede die anstehenden offiziellen Staatsbesuche des Jahres erwähnt. In diesem Jahr freue sie sich auf die Königin und den König von Spanien. Wen sie nicht erwähnte, obwohl er für dieses Jahr eingeladen ist: Donald Trump. Daraus wurde unter den Beobachtern geschlossen, dass ein Besuch des amerikanischen Präsidenten nun erst einmal doch nicht ansteht.

Was vom Auftritt der Queen am ehesten in Erinnerung bleibt, ist ihr Hut. Dieser war blau und mit gelben Punkten verziert, was auf verblüffende Weise an die Flagge der Europäischen Union erinnerte. In Westminster stand alsbald die Frage im Raum: War das Zufall, oder hatte die Queen auf subtile, ja subversive Weise ein Statement gemacht?

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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