Großbritannien:Applaus für Gromit

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Hand-shake: Der direkte Kontakt mit dem Publikum ist weiterhin Ed Milibands größte Schwäche. (Foto: Getty)

In der ersten TV-Debatte vor der britischen Unterhauswahl schlägt sich der Herausforderer Ed Miliband gegen Premier David Cameron erstaunlich gut.

Von Christian Zaschke, London

Als es vorbei war und die Lichter im Studio allmählich erloschen, aber die Kameras noch liefen, beugte sich Moderator Jeremy Paxman nach vorne und fragte fast zärtlich: "Sind Sie okay, Ed?" Der britische Oppositionschef Ed Miliband schreckte hoch, er hatte gerade begonnen, sich zu entspannen am Ende der ersten TV-Debatte mit Premierminister David Cameron, und nun stellte der gefürchtete Paxman ihm doch noch eine Frage. Natürlich sei er okay, antwortete Miliband ärgerlich.

Es war die letzte Szene eines Abends, an dem der Chef der Labour-Partei sechs Wochen vor der Parlamentswahl einigen Boden gutgemacht haben dürfte. Da Cameron sich hartnäckig geweigert hatte, sich auf ein direktes Rededuell mit Miliband einzulassen, traten die beiden Parteichefs am Donnerstagabend nacheinander auf. Erst stellte sich Cameron den Fragen von Moderator Paxman, dann denen des Studiopublikums.

Nach 45 Minuten übernahm Miliband, er sprach erst mit dem Publikum, dann mit Paxman. Im Vergleich zu einer Befragung durch Paxman geht eine Behandlung durch mittelalterliche Folterknechte als Wohlfühl-Massage durch. Miliband hatte den Münzwurf gewonnen, weshalb Cameron als erster das Vergnügen hatte.

Manchmal wirkt der Labour-Chef wie eine Knetgummi-Figur

Warum in seiner Amtszeit die Anzahl der karitativen Essensausgaben für Bedürftige dramatisch gestiegen sei, wollte Paxman als Erstes wissen. Offensichtlich könnten sich dank seiner Politik immer mehr Menschen nicht einmal das Nötigste leisten. Cameron hatte auf diese wenig überraschende Frage keine gute Antwort parat, er hatte einen schlechten Start ins Interview. Er sprach in vorgestanzten Sätzen und war beständig in der Defensive. Es war einer der schwächsten öffentlichen Auftritte des Premiers in den vergangenen fünf Jahren. Zwischenzeitlich wirkte er, als wolle er am liebsten nach Hause gehen. Doch der Premier erholte sich erstaunlich schnell. Den Dialog mit dem Publikum meisterte er souverän.

Miliband erging es umgekehrt. Zu den Zuhörern im Studio fand er keine Bindung, zumal sie ihn mit unangenehmen Fragen traktierten. Ob nicht sein Bruder David der viel bessere Kandidat gewesen wäre, fragte jemand. David Miliband war nach den verlorenen Wahlen von 2010 der designierte Labour-Chef, doch Ed trat gegen ihn an und siegte mit Hilfe der Gewerkschaften. Er sei der richtige Mann, beharrte Miliband, und das Zerwürfnis mit seinem Bruder heile allmählich. Bisher hatte er bestritten, dass es ein solches gegeben habe.

Gegen Paxman setzte er sich überraschend gut zur Wehr. Die Leute fänden ihn seltsam und komisch, warf ihm Paxman an den Kopf. Das sei ihm egal, sagte Miliband, es gehe um Inhalte. Paxman fragte, ob er ernsthaft glaube, stark genug für den Job als Premierminister zu sein. "Zum Teufel, ja, ich bin stark genug", sagte Miliband in einem Ton, als spiele er gerade im Showdown eines Westerns mit. Das wirkte ein wenig aufgesetzt für einen Mann, der aussieht wie eine Knetgummi-Figur aus den Wallace-&-Gromit-Filmen, aber es wirkte zugleich auch mutig im Angesicht des wild attackierenden Paxman. Als dieser schließlich sagte, Miliband habe schlicht keine Chance, die Wahl zu gewinnen, landete der Labour-Chef seinen besten Punch: "Sie sind wichtig, Jeremy", sagte er, "aber nicht so wichtig, dass Sie über den Wahlausgang entscheiden". Das Publikum applaudierte. Cameron hatte nicht ein einziges Mal Beifall bekommen. Erste Umfragen sahen den Premier als knappen Sieger des Abends, doch hatte sich Miliband viel besser geschlagen als erwartet. Camerons Strategen dürften sich fragen, ob nicht ein direktes Rededuell die bessere Option gewesen wäre, als mit Jeremy Paxman zu debattieren. Ursprünglich war ein direktes Duell eine Woche vor der Wahl am 7. Mai vorgesehen gewesen, doch der Premier war der Ansicht, als Amtsinhaber habe er da nichts zu gewinnen. In der kommenden Woche folgt eine weitere Debatte, an der außer Cameron und Miliband die Chefs der Liberaldemokraten, der Grünen, der Ukip, der Scottish National Party und der walisischen Plaid Cymru teilnehmen.

© SZ vom 28.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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