Großbritannien: Affäre um Lord Ashcroft:Flüchtiger Adel

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Ärger vor der Wahl: Die Steuer-Affäre um den Parteivize und Milliardär Lord Ashcroft erschüttert die bereits angeschlagenen britischen Konservativen.

Jeanne Rubner

Für David Cameron, Führer der britischen Konservativen, hat die Woche schlecht angefangen. Zuerst verkündete am Montag Lord Ashcroft, Milliardär und einer der wichtigsten Spender der Torys, dass er keinen Wohnsitz in Großbritannien habe und daher auch keine Steuern auf sein Auslandsvermögen zahle.

Und dann bestätigten am Dienstag neue Umfragen auch noch, dass sich der Abstand zwischen Torys und Labour verringert. Demnach liegen die Parteien nur noch fünf Prozentpunkte auseinander, und ein klarer Sieg bei den kommenden Parlamentswahlen, den Cameron schon sicher glaubte, wird immer unwahrscheinlicher.

Der Wohnsitz und Steuerstatus von Lord Ashcroft bewegt die Briten seit mehr als zehn Jahren. 2000 wurde Michael Ashcroft, der die Konservativen nicht nur mit großzügigen Spenden bedacht hatte, sondern auch deren Schatzmeister von 1998 bis 2001 gewesen war, Mitglied des Oberhauses - unter der Bedingung allerdings, dass er seinen Hauptwohnsitz von Belize ins Königreich verlege.

Nicht illegal, aber anrüchig

Das hatte Ashcroft dem damaligen Tory-Chef William Hague schriftlich zugesagt, und Hague hatte sogar damit geworben, dass dieses Versprechen mehrere zehn Millionen Pfund (an zu zahlenden Steuern) wert sei. Wiederholte Nachfragen von Labour, wo Ashcroft nun tatsächlich residiere, mochten aber weder der Lord noch die Torys beantworten.

Wie sich jetzt herausstellte, interpretierte Ashcroft die Bedingung des britischen Wohnsitzes eher lax: Er habe damals mit der Regierung vereinbart, dass er als "non domiciled" nur Steuern auf seine britischen Einkünfte und nicht auf das restliche Vermögen zahlen müsse.

Das ist nicht illegal, wohl aber anrüchig - und für Cameron höchst unangenehm. Zum einen hatte der Tory-Führer vollmundig versprochen, im Fall eines Regierungswechsels dafür sorgen zu wollen, dass alle Parlamentarier Steuern auf ihre gesamten Einkünfte zahlen müssen. Zum anderen stellt sich die Frage, wie lange Cameron gewusst hat, wo nun Ashcroft tatsächlich seinen Wohnsitz hat und wie viel Steuern er zahlt.

Wichtige Figur

Für die Konservativen ist Ashcroft, inzwischen sogar stellvertretender Parteichef, eine wichtige Figur: Insgesamt 5,2 Millionen Pfund hat er der Partei seit 2001 gespendet, vier Millionen davon in den vergangenen fünf Jahren, in denen Cameron an der Spitze steht.

Ein großer Teil des Geldes ist nach Aussagen der Zeitung The Independent nicht in die zentrale Parteikasse geflossen, sondern an einen Verein, der konservative Abgeordnete unterstützt, deren Wiederwahl gefährdet ist.

Ob Labour allerdings großes Kapital aus dem Fall Ashcroft schlagen kann, ist ungewiss - die neusten Umfragen sind gemacht worden, bevor der Lord an die Öffentlichkeit gegangen war.

Auch die Regierungspartei hat in den Reihen ihrer Spender einen Baron mit dem Status des "non domiciled", der keine Steuern auf sein Auslandsvermögen zahlt.

Und auch Labour hat Super-Spender mit einem Adelstitel belohnt wie den Multimillionär Lord Levy, der 2006 Schlagzeilen machte, nachdem er Parteispenden als Darlehen getarnt hatte.

Nach der am Dienstag im Independent veröffentlichten Meinungsumfrage liegen die Torys fünf Prozentpunkte vor Labour, selbst eine Erhebung für die erzkonservative Sun sieht den Abstand bei nur sieben Punkten. Würde jetzt gewählt, so entfielen laut Independent auf die Konservativen 37 Prozent, auf Labour 32 Prozent und auf die drittstärkste Partei, die Liberaldemokraten, 19 Prozent der Stimmen.

Wegen des Mehrheitswahlrechts bliebe Labour dennoch stärkste Kraft - jedoch ohne absolute Mehrheit. Demnach könnte Premier Gordon Brown im Amt bleiben, er wäre aber auf Koalitionäre angewiesen. Eine Koalition regierte in London zuletzt unter Winston Churchill von 1941 bis 1945.

© SZ vom 3.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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