Griechische Lehrer:Nachzahlen bitte

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Es klingt skurril, dass deutsche Richter über Athener Spargesetze urteilen müssen. Doch 18 Lehrer, die an einer griechischen Schule in Deutschland unterrichten, hatten ihr Heimatland verklagt. Es hatte ihnen die Gehälter gekürzt.

Von Detlef Esslinger, München

Griechische Spargesetze gelten in Deutschland nicht. Diese Feststellung hört sich zunächst ebenso banal wie überraschend an: Denn Gesetze gelten naturgemäß immer nur in dem Staat, der sie erlässt - und warum sollte sich überhaupt die Frage stellen, ob griechische Gesetze auch hier gelten?

Weil 18 Lehrer an der "Privaten Volksschule der Republik Griechenland" ihr Land vor deutschen Arbeitsgerichten verklagt hatten. Im Zuge der Spargesetze, die die EU-Kommission, die EZB und der Internationale Währungsfonds dem Parlament in Athen abverlangt hatten, hatte die Regierung dort auch ihren Lehrern in Deutschland die Gehälter gekürzt. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied am Mittwoch, dass dies nicht rechtens war.

Griechenlands Regierung kürzte einem Lehrer in Nürnberg das Gehalt um 20 000 Euro

Damit geht ein fünfjähriger Rechtsstreit zu Ende, in dem die Klage des Lehrers Grigorios N. Mustercharakter hatte. N. ist seit 1996 an der Nürnberger Schule beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag orientierte sich am deutschen Tarifvertrag der Länder, sein Monatsgehalt betrug knapp 3900 Euro. Zwei griechische Spargesetze von 2010 schrieben Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst vor; und zwar unabhängig von dem, was in Tarifverträgen stand. Daraufhin wurde auch dem Lehrer N. das Gehalt um knapp 600 Euro im Monat gekürzt; ebenso wurden die Jahressonderzahlungen gekürzt. Von Oktober 2010 bis Ende 2012 musste N. auf 20 000 Euro verzichten. Zunächst wies das Arbeitsgericht Nürnberg die Klage ab, dann gab das Landesarbeitsgericht Nürnberg ihr statt - woraufhin der griechische Staat vor dem Bundesarbeitsgericht in Revision ging. Dessen Richter wandten sich zunächst an den Europäischen Gerichtshof (EuGH); von ihm wollten sie wissen, ob eine einschlägige EU-Verordnung das Vorgehen des griechischen Staates decke. Der EuGH verneinte, worauf der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts nun entschied, dass hier das deutsche Arbeitsrecht zähle, und kein griechisches Gesetz. Und: "Das deutsche Arbeitsrecht kennt keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, aus Rücksicht auf die finanzielle Lage des Arbeitgebers dauerhafte Gehaltskürzungen ohne eine wirksame Vertragsänderung hinzunehmen", also zum Beispiel eine Änderungskündigung.

Derlei gab es aber nicht, weder bei N. noch bei den 17 anderen Lehrern aus Nürnberg. Deswegen muss Griechenland ihnen nun das Gehalt zuzüglich Zinsen nachzahlen. Die jetzt entschiedenen Klagen umfassten Oktober 2010 bis Ende 2012, aber auch danach erhielten die Lehrer nur die gekürzten Gehälter. Auch dagegen liegen Klagen vor, die Verfahren ruhten bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Sie sollen nun wieder aufgerufen werden.

Die griechische Regierung hatte in dem Verfahren mit dem Grundsatz der Staatenimmunität argumentiert. Dieser besagt, dass Hoheitsakte eines Staates nicht von den Gerichten eines anderen Staates überprüft werden können. Schon das Landesarbeitsgericht Nürnberg aber fand, dass der griechische Staat bei der Anstellung seiner Lehrer in Deutschland "privatrechtlich" tätig geworden sei.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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