Griechenland:Türkische Soldaten dürfen bleiben

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Mit Spannung erwartetes Urteil: Polizisten eskortieren die Soldaten zum Gerichtsgebäude. (Foto: Alkis Konstantinidis/Reuters)

Das Oberste Gericht des Landes hat die Auslieferung von acht Armeeangehörigen an die Türkei abgelehnt, weil die in der Putschnacht geflohenen Männer dort nicht mit einem fairen Verfahren rechnen könnten.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Die acht türkischen Soldaten, die nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 mit einem Hubschrauber nach Alexandroupoli geflohen waren, dürfen in Griechenland bleiben. Das oberste griechische Berufungsgericht in Athen lehnte am Donnerstag deren Auslieferung in die Türkei ab. Dem Gericht zufolge sei nicht gewährleistet, dass die Soldaten derzeit in der Türkei ein fairer Prozess erwarte. Christos Mylonopoulos, einer der Anwälte, sprach von einem "Sieg für die Werte Europas und der griechischen Justiz".

Das Urteil belastet das ohnehin angespannte türkisch-griechische Verhältnis. Das türkische Außenministerium reagierte verärgert und drohte damit, die Zusammenarbeit mit Griechenland neu bewerten zu wollen. Athen schütze Putschisten und tue "nicht das Geringste" im Anti-Terrorkampf. Nach dem Putschversuch hat die Regierung in Ankara den Ausnahmezustand verhängt. Er soll vorerst bis Mitte April andauern. Die Regierung hat Zehntausende Staatsbedienstete entlassen, darunter auch etwa 4000 Richter und Staatsanwälte. Verdächtigen wird der Zugang zu Anwälten erschwert, sofern sie überhaupt Juristen finden, die noch bereit sind, sie zu verteidigen. Zudem haben Foltervorwürfe aus dem türkischen Polizeigewahrsam die Justiz in Athen alarmiert. Ein griechischer Staatsanwalt hatte bei einer der letzten Sitzungen vor der Urteilsverkündung erklärt: Auch wenn die Männer die größten Feinde Griechenlands wären, sollten sie dennoch nicht ausgeliefert werden. Griechenland dürfte seine Rechtskultur nicht aufs Spiel setzen. Die griechische Justiz hatte sich dennoch mit der Entscheidung äußerst schwer getan. In erstinstanzlichen Verfahren hatten Richter in einem Fall für die Auslieferung, in anderen dagegen entschieden. Deshalb war das Urteil des Obersten Gerichtes vom Donnerstag mit großer Spannung erwartet worden.

Am 16. Juli 2016, wenige Stunden, nachdem klar war, dass die Putschisten keinen Erfolg hatten, landete gegen Mittag im nordgriechischen Alexandroupoli der türkische Militärhubschrauber. In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten die Crew-Mitglieder, mit dem Putschversuch nichts zu tun gehabt zu haben. Sie seien allein aus "Verzweiflung" und aus Angst um ihr Leben aus der Türkei geflohen. Die Männer gaben an, zu einer Rettungseinheit zu gehören. In der Nacht zum 16. Juli seien sie in den Stützpunkt außerhalb Istanbuls einbestellt worden. Ihr Einsatzbefehl lautete, Verletzte aus dem Zentrum der Stadt auszufliegen. Die Soldaten seien davon ausgegangen, dass es einen Terroranschlag gegeben habe. In der Stadt herrschten jedoch kriegsähnliche Zustände. Die Einheit sei unter Beschuss geraten, drehte ab und landete auf einem anderen Stützpunkt. Dort sei den Männern erst bewusst geworden, dass ein Putsch im Gange sei. Übers Internet hätten sie mitbekommen, wie Soldaten von der aufgebrachten Menge misshandelt, einzelne sogar umgebracht worden seien. Daraufhin hätten sie sich zur Flucht entschieden. Der Bordtechniker Mesut F. hatte bei seiner Gerichtsverhandlung, die am Ende zu seinen Gunsten ausgefallen war, gesagt: "Wir vertrauen der griechischen Justiz."

Türkische Medien werfen Athen vor, Putschisten zu unterstützen. Das sei ein "gefährliches Spiel"

Die regierungsnahe türkische Zeitung Yeni Şafak schrieb bereits vor der Urteilsverkündung: Athen "spiele ein gefährliches Spiel". Griechenland ist ganz besonders davon abhängig, dass die Türkei sich an dem mit der Europäischen Union vereinbarten Flüchtlingspakt hält und Migranten davon abhält, die lebensgefährliche Fahrt übers Mittelmeer auf die griechischen Inseln zu wagen. Seit Inkrafttreten des Abkommens ist die Zahl der Flüchtlinge, die Griechenland erreichen, deutlich zurückgegangen. Allerdings hat Ankara Europa wiederholt gedroht, den Pakt platzen zu lassen. Dies würde dazu führen, dass die Lage in Griechenland erneut außer Kontrolle gerät. Schon jetzt sind die Flüchtlingslager auf den Inseln überfüllt. Vor Gericht hatten die Verteidiger und Staatsanwälte betont, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sei, auf diplomatische Umstände Rücksicht zu nehmen.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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