Griechenland:Reformen gegen Flüchtlingshilfe

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Berlin und Brüssel warnen, Athen könnte die beiden Themen vermischen, um zu rechtfertigen, warum es bei der Umsetzung der Auflagen langsamer vorangeht als es sollte.

Von Stefan Braun, Berlin

In Berlin und Brüssel wachsen die Sorgen, dass Griechenland bei den Reformbemühungen wackeln und bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise weiter zögerlich agieren könnte. Auslöser ist der Eindruck, dass Athen offenbar bemüht ist, die vereinbarten Reformen mit den Lasten durch den Flüchtlingsansturm zu verknüpfen. Das wurde am Rande eines Griechenland-Besuchs von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) deutlich.

Offenbar versucht die Regierung von Alexis Tsipras derzeit hinter den Kulissen, die Belastungen durch die Flüchtlinge als Begründung dafür heranzuziehen, um von der EU und den internationalen Gläubigern eine Lockerung der ihr auferlegten Reformen zu erreichen. Steinmeier verwies in Athen darauf, dass die EU Griechenland als Reaktion auf die Flüchtlingskrise klare Hilfszusagen gemacht habe - und betonte zugleich, dass das Ziel von Wachstum und Gesundung nicht nur im europäischen, sondern vor allem im griechischen Interesse sei. Er warnte Athen davor, die Reformen zu verschleppen. ,,Jetzt und nicht erst morgen ist der Moment'' zum Handeln, so Steinmeier.

Dabei erinnerte er auch an eigene Erfahrungen - Steinmeier war als Kanzleramtsminister 2003 direkt an der Umsetzung der Agenda 2010 beteiligt gewesen. Ein großes Problem von Politik sei es, dass man in solchen Fällen ,,die Kosten und Anstrengungen sofort spürt, die Erfolge aber oft erst viel später eintreten'', sagte der Außenminister. In seiner Delegation wurde darauf verwiesen, dass die Tsipras-Regierung mehr als drei Jahre vor der nächsten Wahl die große Chance habe, von Reformen noch selbst zu profitieren.

Im Kampf gegen die Schleuser fehlt es an Kooperation

Zu Beginn seines Gesprächs mit Griechenlands Staatspräsident Prokopis Pavlopoulus mahnte Steinmeier seine Gastgeber zudem, in der Flüchtlingskrise nicht auf gegenseitige Schuldzuweisungen zu setzen. Diese würden nicht weiterhelfen. Stattdessen sei es dringend erforderlich, endlich gemeinsam zu agieren, innerhalb der EU, aber auch mit der Türkei. Ohne es offen auszusprechen, zeigte sich Berlin unzufrieden damit, dass es immer noch große Probleme gibt bei dem Bemühen, im Kampf gegen die Schleuser in der Ost-Ägäis enger mit der Türkei zu kooperieren. Bislang ist es unmöglich, gemeinsame Patrouillen der griechischen und der türkischen Küstenwache auf den Weg zu bringen. Das liegt nicht nur, aber auch an der griechischen Seite. Athen erhebt Anspruch auf Gebiete in der Ost-Ägäis, welche die Türkei zugleich für sich reklamiert.

Angesprochen auf den Konflikt, lehnte es Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias strikt ab, über diese Frage zu diskutieren. Das Problem liege nicht am Mangel gemeinsamer Patrouillen. Entscheidend seien die Fluchtursachen. Im Übrigen müssten schon auf türkischer Seite sogenannte Hot-Spots entstehen; dort müssten die Menschen registriert werden und die Flüchtlinge vom gefährlichen Weg über das Meer abgehalten werden. In Berlin sorgt man sich gleichwohl, dass Athens Haltung in den Gebietsstreitigkeiten mögliche Fortschritte auch auf Dauer verhindern könnte.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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