Griechenland:Programm oder Premier

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Die Misere Athens wird nicht gelöst, wenn der Regierungschef ausgetauscht wird. Das Land braucht Erleichterungen im Programm. Die sind schwer zuzugestehen. Aber anders wird es kein Wachstum geben.

Von Mike Szymanski

An Griechenland ist so lange mit mäßigem Erfolg herumreformiert worden, dass die Frage im Raum steht: Ist das Land überhaupt zu retten? Die europäischen Geldgeber pumpen jedenfalls Milliarden in das Land, aber die Bevölkerung verarmt weiter. Die Wirtschaftskraft ist um ein Viertel eingebrochen. Die gut Ausgebildeten versuchen ihr Glück im Ausland. Die laufende Überprüfung der Reformfortschritte gerät leider schon wieder zum ganz großen Drama.

Längst schauen sich die Bürger um, ob nicht jemand einen weniger schmerzvollen Ausweg aus der Krise verspricht als Ministerpräsident Alexis Tsipras. Kürzlich hatte sich Kyriakos Mitsotakis, Chef der konservativen griechischen Volkspartei Nea Dimokratia, bei Kanzlerin Merkel vorgestellt. In den Umfragen führt er mit weitem Vorsprung. Das sagt mehr über die Tsipras-Enttäuschung aus als über die Zustimmung für Mitsotakis. Der entstammt ausgerechnet jenem politischen Establishment des Landes, das Griechenland einst mit in die Krise geführt hatte. Er signalisierte Merkel, dass es die Kreditgeber mit ihm an der Spitze leichter haben würden: Kooperation anstatt Konfrontation - ein verlockendes Angebot.

Ein Regierungswechsel löst Athens Probleme auch nicht

Aber braucht es nur eine andere Regierung, damit die Rettungspolitik endlich Erfolg hat? Dieser Illusion sollte sich in Berlin niemand hingeben. Noch hat jedes Rettungspaket jede Regierung zu Fall gebracht, die es umzusetzen versuchte, gleich, ob Gegner der Sparpolitik oder erklärte Partner der EU regierten. Tsipras' größtes Verdienst liegt darin, dass unter seiner Regierung soziale Unruhen ausgeblieben sind, die angesichts der Härten durchaus zu erwarten gewesen wären. Dafür bekommen aber er und sein Linksbündnis Syriza die Wucht der Wut zu spüren.

Mitsotakis - ähnlich jung und ähnlich smart wie Tsipras - verfolgt zwar einen anderen Ansatz. Am Ende jedoch verfügt auch er nur über den gleichen Bewegungsspielraum wie Tsipras. Dieser Spielraum bemisst sich darin, wie viel Atemluft die Haushaltsziele in der Rettungspolitik lassen. Angestrebt sind dauerhaft 3,5 Prozent beim primären Haushaltsüberschuss. Das halten sowohl Tsipras wie auch Mitsotakis für völlig unrealistisch. Beide sind darauf angewiesen, dass ihnen Brüssel entgegenkommt. Sollte dies der Fall sein, will Mitsotakis Steuern senken. Dies würde die Wirtschaft ankurbeln. Mitsotakis glaubt auch, den Staatsapparat verkleinern zu können.

Bevor Tsipras an die Macht kam, sollte Mitsotakis als Minister die Reform der Verwaltung vorantreiben und 15 000 Beamte entlassen. Als er anderthalb Jahre später wegen der verlorenen Wahl gehen musste, war er gerade einmal 1000 Beamte losgeworden. Das ist aber der politische Alltag in Griechenland, der auch Mitsotakis schnell wieder einholen dürfte.

Ein neuer Retter ist nicht in Sicht. Mitsotakis kann graduell manches anders machen aber deshalb nicht automatisch vieles zum Besseren wenden. Wer in Griechenland Erfolge sehen will, muss zuerst das Programm ändern.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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