Griechenland:Hilfspaket, die dritte

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Ein Bericht, dass die Voraussetzungen für Hilfen für Athen erfüllt seien, löst Empörung und Dementis in Brüssel aus. Auch Athen sagt, es wisse davon nichts.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Sechs Wochen vor dem Ende des laufenden Rettungspakets für Griechenland sorgt ein offenbar in der Europäischen Kommission verfasster Bericht für Ärger unter den Gläubigern. Der "Bericht über Hilfe für Griechenland" wurde von der griechischen Wochenzeitung towima auf deren Online-Portal veröffentlicht. Darin heißt es, in den Gesprächen Griechenlands mit den internationalen Gläubigern seien "die Voraussetzungen erreicht, damit weitere Hilfe fließt".

Alle dementieren, was vielleicht auch daran liegt, dass Schweigen vereinbart wurde

Unmittelbar nachdem der Bericht bekannt wurde, folgten offiziell Dementis. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, sie könne diesen Bericht "nicht bestätigen". Er gebe nicht die Position der Kommission wider. Die Behörde verhandele wie vereinbart als Mitglied der Brüsseler Gruppe, der vormaligen Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, um gemeinsam ein Ergebnis zu erreichen. Von der griechischen Regierung verlautete, der Bericht sei ihr nicht bekannt. Man wisse nichts von einem Plan.

Die Unterhändler der Euro-Gruppe reagierten verärgert. Man habe "immer gesagt, dass die Vorschläge nur gemeinsam von den Institutionen kommen, oder es gibt sie nicht", sagte ein hochrangiger Unterhändler der Süddeutschen Zeitung. Sollte ein Mitglied der Brüsseler Gruppe vorab seine Positionen bekannt machen, so löse das eine institutionelle Krise aus. Maßgeblich sei nur "ein Beschluss der Staats- und Regierungschefs".

Dass die Beteiligten so hart dementieren, liegt auch daran, dass alle Seiten vereinbart haben, strikt Stillschweigen zu wahren. Parallel zu den Verhandlungen der Brüsseler Gruppe reden die Regierungschefs miteinander. So wollen sich Kanzlerin Angela Merkel und Premier Alexis Tsipras Ende der Woche am Rande eines EU-Sondergipfels in Riga treffen. Zugleich stehen Merkel und IWF-Chefin Christine Lagarde in Kontakt.

Der Bericht geht sehr detailliert ein auf Konditionen und Fakten. Die Autoren schreiben, dass Anfang Juni die letzte Kreditrate des noch laufenden Rettungsprogramms in Höhe von 1,8 Milliarden Euro sowie die 2014 erzielten Gewinne der Europäischen Zentralbank aus dem Handel mit griechischen Staatsanleihen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro ausgezahlt werden könnten.

Das setze voraus, dass die griechische Regierung ein Reformprogramm verabschiede, mit dem sie 2015/2016 insgesamt fünf Milliarden Euro einspare. Die Autoren schlagen zugleich vor, dass Anfang Juli eine Art Zwischenfinanzierung greift: Die Euro-Länder sollten Athen die Gewinne aus dem Handel mit Staatsanleihen aus dem Jahr 2015 auszahlen. Im Herbst sollte dann ein drittes Rettungspaket geschnürt werden. Die Autoren räumen ein, dass es schwierig sein werde, den IWF für den Vorschlag zu gewinnen.

Nach Ansicht der Experten sollte sich Athen als Voraussetzung dafür, dass die nächsten Hilfen ausgezahlt werden, dazu verpflichten, im Herbst eine grundsätzliche Reform des Arbeitsmarktes und der Renten zu vereinbaren sowie den Markt für Dienstleister zu öffnen. Zugleich werden Haushaltsziele für 2015 bis 2018 festgelegt. Danach soll Athen im laufenden Jahr einen Überschuss von 0,75 Prozent erwirtschaften, der bis 2018 auf 3,5 Prozent ansteigen soll. Zu den kurzfristigen Maßnahmen, die Athen sofort erfüllen muss, gehört weiterhin, einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 18 Prozent einzuführen, einen Solidaritätszuschlag für Einkommen ab 30 000 Euro jährlich, die Steuer auf Immobilien beizubehalten und die Berufsrenten zu streichen - sofern die Kassen dafür leer sind. Dazu soll ein unabhängiges Generalsekretariat entstehen für Einnahmen sowie ein unabhängiger Haushaltsrat und schließlich Maßnahmen gegen eine humanitäre Krise. So soll auf Brot und Milch nur sechs Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden.

Der Bericht enthält zudem ein besonderes Kapitel über den Internationalen Währungsfonds. Dort heißt es, der IWF sei in zwei Punkten anderer Meinung. Die neuen Reformen deckten sich nicht mit den bei Vertragsabschluss vereinbarten Maßnahmen. Es werde ein "neuer Weg" beschritten, der zunächst geprüft werden sollte. Außerdem würden die wichtigsten Haushaltsziele nach hinten verschoben. Diese einzuhalten ist aber Voraussetzung dafür, dass sich auch der IWF am Rettungsprogramm beteiligt.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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