Glosse:Streiflicht

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(SZ) In den letzten Tagen hat man den Satz gelesen: "Die CDU denkt über eine Doppelspitze nach." In dieser Aussage sind zwei Fehler, ein offensichtlicher und ein tiefer liegender. Offensichtlich ist: Die CDU hat kein Gehirn, sie kann also gar nicht denken. Sie hat kein Gehirn, weil sie kein Wesen ist, also kein Mensch und auch kein Tier wie Hund, Schwein oder Delfin, die durchaus auch nachdenken können. Der tiefer liegende Fehler: Wäre die CDU ein Mensch oder ein Tier, müsste sie jetzt nicht über eine Doppelspitze nachdenken. Als Mensch und sogar als Rabe hätte sie sich selbst als Kanzlerkandidaten aufgestellt und nicht den Dings aus Aachen. Die Bezeichnung "Dings" ist nicht despektierlich gemeint, sie greift nur der Entwicklung in der Union vor, dass auf Antrag der JU wohl demnächst der Name des ehemaligen Kanzlerkandidaten aus allen Dokumenten, Reden und Digitaltexten gelöscht werden wird. Die Römer nannten das damnatio memoriae, die gerade dann gepflegt wurde, wenn man eigene Fehler kaschieren wollte.

Mit der Doppelspitze ist das so eine Sache, wie jetzt auch Robert Habeck erkannt hat, der allmählich so etwas wird wie ein woker Markus Söder. In einem neuen Wahlkampfbuch wird Habeck mit der Erkenntnis zitiert, dass es bei der Besetzung vieler wichtiger Positionen - Kanzleramt, Länder-MPs etc. - auf einen, nicht auf zwei Menschen ankommt: "Da geht es um singuläre Positionen. Da gibt es halt keine Doppelspitze." Ohnehin ist die Doppelspitze manchmal, keineswegs immer ein Zeichen dafür, dass man sich nicht recht entscheiden konnte. Andererseits soll die Doppelspitze signalisieren, dass man als moderne Firma eine Frau und einen Mann beruft, einen Ingenieur und eine Betriebswirtin, einen Kompetenten und einen Erben. Untergebene finden Doppelspitzen toll, wenn sich zwei Unterschiedliche ergänzen, und so etwas Besseres als bei nur einem rauskommt. Untergebene finden Doppelspitzen grottig, wenn zwei Ähnliche die Neigungen des jeweils anderen verstärken.

Ein besonderer Fall der Doppelspitze ist der, wenn einer gleich zwei Chefpositionen hat. Bei Delfinen würde es das nicht geben. In der Politik ist es eher üblich, die Kanzlerin war lange auch CDU-Chefin, Wilhelm II. war preußischer König und deutscher Kaiser. Der Schluss liegt nahe, dass diese Art der Ein-Mensch-Doppelspitze noch problematischer ist als zum Beispiel eine Kühnert-Esken-Doppelspitze, also zwei sehr ähnliche Obermuftis. Und was heißt das nun alles für die CDU? 1) Es wird keine Doppelspitze geben. 2) Wenn doch, könnte man eine Doppelspitze aus Söder und irgendeinem CDU-Dings machen. 3) Mit Friedrich Merz möchte niemand eine Doppelspitze, nicht mal er selbst. 4) Vielleicht wäre Olaf Scholz bereit, Kanzler und CDU-Chef zu werden. Bei der SPD darf er ja nur das eine.

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