Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) US-Präsident Joe Biden hat geheime Dokumente in seiner Garage aufgehoben, und jetzt fragt natürlich jeder, sei er nun Sonderermittler oder texanischer Sturmgewehr-Besitzer, warum ausgerechnet in der Garage. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Wo denn sonst? Die Garage ist weit mehr als nur das Wohnzimmer des Autos. Sie ist ein magischer Ort, an dem große Dinge geschehen. Jeder Rockmusiker hat mit seinen ebenfalls talentlosen Kumpels in Papas Garage die ersten Songs geprobt, ja, es gibt sogar einen Musikstil, der Garagen-Rock heißt. Und was wäre die Weltwirtschaft ohne Garage? Apple, Google, Hewlett-Packard, Walt Disney - alle haben sie in einer Garage angefangen. So darf man mit dankbarem Blick gen Himmel sagen: Auf allem, was in der Garage beginnt, ruht Gottes Segen.

Einen heiklen Punkt gibt es aber, und wer ihn anspricht, läuft Gefahr, von einem Shitstorm von der Erde weg ins All und hintern Mond geweht zu werden. Doch es geht hier um die Wahrheit, und die lautet: Die Garage gehört dem Mann. Sie ist der letzte Ort, der allein diesem längst fragwürdig gewordenen Menschentyp vorbehalten ist. Frauen haben in der Garage nichts verloren, ausgenommen Frau Strack-Zimmermann, die darin ihren Kampfpanzer abstellen darf, aber nur vorübergehend. Und wie der Hamster seinen Bau, so gestaltet auch der Mann die ihm als Safe Space dienende Garage nach seinem Gusto. Ölpfützen gehören ebenso dazu wie vergilbte Pin-up-Fotos, in einer Ecke muss ein Reifenstapel stehen, ansonsten fungieren rostige Werkzeuge, Gartenschläuche, leere Bierträger, verweste Mäuse, Putzschwämme, Farbdosen, Kieshaufen, Rasenmäher, der erste Schulranzen, Volksempfänger, mehrere ausrangierte Computer und der noch unberührte Geschenkkorb zum 20. Dienstjubiläum als Dekorationselemente. Für das Auto ist in der Regel kein Platz mehr. Dass Präsident Biden behauptet, in seiner Garage stehe neben den Geheimakten noch eine Chevrolet Corvette, schadet seiner Glaubwürdigkeit enorm.

Vor allem Frauen missverstehen die - zugegeben - nicht leicht fassbare Ordnung einer Garage als Schlamperei. Sollte sich die Gattin erkühnen, da mal aufzuräumen, sind Streit und Scheidung die unumgänglichen Folgen. Im Grunde bilden die in der Garage gelagerten Objekte eine künstlerische Installation, deren Ordnungsprinzip dem Chaos im All entspricht. Darin findet sich nur der Eingeweihte zurecht, und wenn ein Mann in der Garage seinen Trauschein oder andere brisante Dokumente sucht, hat er sie bereits nach zwei, drei Tagen entdeckt. Schlamperei sieht anders aus. Manche Frauen argwöhnen, ihr Mann habe eine Geliebte, weil er oft stundenlang unauffindbar bleibt. Welch ein Irrtum! In Wirklichkeit hat er irgendwo eine Garage gemietet, um sich einen Traum zu erfüllen: Einmal König sein im eigenen Reich.

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