Glosse:Das Streiflicht

Lesezeit: 2 min

Das Streiflicht (Foto: SZ)

Kevin Kühnert hat einen Oberlippenbart? Gut so, denn damit ist die Debatte über seine politische Zukunft endlich eröffnet.

(SZ) Zum Teufel mit den Spöttern, der neue Bart von Kevin Kühnert ist toll! Es handelt sich bei Kühnerts Schnäuzer allerdings eher um eine Art Oberlippen-Augenbrauen-Paar, zwischen dem die haarfreie Aussparung eine direkte Tangente über die Nasenspitze zur Stirn schlägt. Kühnert hatte diesen Bart schon früher im Gesicht, er fiel nur nicht auf, weil er Teil eines Bartensembles war, das die Wangen des SPD-Rebellen bedeckte, wohingegen aber zwischen den Backenbartflanken und den Spitzen des Schnäuzers wiederum Freiflächen ausgewiesen waren. Die Freilegung des Oberlippenbartes lässt die beobachtende Presse nun dennoch jubeln, weil Schnauzbärte ein anderes, so sagt man heute als schlauer Mensch, Narrativ haben. Wobei ja in dem Wort Narrativ schon das Närrische steckt, das immer auch Teil der Erzählung ist. Denn der Schnauzbart weckt den Assoziationsclown in jedem Storyteller: Trägt der Mann einen Bart wie Willy Birgel? Kann man seine Oberlippenkultur mit der eines Thomas Mann vergleichen, mit dem Schnäuzer von Tom Selleck oder der Moustache von Bob Dylan, sofern einem Marcel Prousts äußere Erscheinung gerade nicht vor Augen steht? Oder soll man sagen, er sieht dem Bart von Chaplin ähnlich, damit man den unstatthaften Vergleich mit dem Bärtchenträger der Finsternis nicht ziehen muss?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: