Glosse:Das Streiflicht

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(SZ) Städtepartnerschaften gibt es viele, und bei den wenigsten versteht man, warum genau sie eigentlich eingegangen werden. Andere Städte sind offiziell nicht verpartnert, aber Schwestern im Geiste, verbunden durch einen Wink des Schicksals. So wie Emden und Malé auf den Malediven, die Gemeinsamkeiten aufweisen, auf die selbst ein Kreuzworträtsel-Meister nie gekommen wäre. Die größte ostfriesische Stadt und die Hauptstadt von fast 1200 Koralleninseln im Indischen Ozean verbindet die Tatsache, dass beide Städte exakt einen Meter über dem Meeresspiegel liegen. Sollten die Ozeane um zwei Meter infolge des Klimawandels ansteigen, wäre das für beide eine Katastrophe. Aber dieser sorgenvolle Ausblick ist nicht der Grund, warum man die beiden Orte als Schicksalsduo ansehen darf. Das hat mit dem Kurs zu tun, den das ZDF-Traumschiff in der neuen Folge am Sonntag aufnimmt. Raus aus der Tristesse, raus auf den Indischen Ozean, auf zum Strandparadies - nicht Malle wohlgemerkt: Malé!

Wer seine Träume mit Sommer und Sonne aufwärmen lassen will, ist beim Traumschiff auch auf dem kleinen Sonnendeck, das daheim zwischen Leseleuchte und Regalwand aufgebaut ist, immer gut gefahren. Wenn der jungenhafte Kapitän Florian Silbereisen seine besonnenen Kommandos zum Besten gibt, konnte man als Fernsehpassagier bislang sicher sein, dass alle Schauspielerinnen und Schauspieler sich am Originalschauplatz aufhalten und ihre sonnendurchtränkte Seele im Film etwas abstrahlt, was man mit keiner Rundfunkgebührensolarzelle bekommen kann: die Freude über das echt schöne Wetter in der echt schönen Karibik. Das half ihnen und uns immer über den größten Blödsinn hinweg. Hat das der Harald Schmidt gerade tatsächlich gesagt? Ach, ist doch egal. Wunderbar, wie braun der Bursche ist!

Nun hat das Traumschiff wieder die Leinen losgemacht, zu Sehnsuchtsorten der Welt, wie das ZDF sachlich feststellt, zu den Malediven ist sie gefahren, aber in Emden gelandet, weil man dort alle Schiffsszenen gedreht hat. Und zwar im Dezember, wie Kapitän Silbereisen in einem Interview erzählt hat, bei Temperaturen um die null Grad. Nun wäre es vollkommen in Ordnung, in Malé im Dezember zu landen, da kann es zwar nur bis 30,1 Grad warm werden, was immerhin 1,5 Grad kühler ist als im heißesten Monat April - aber es lässt sich aushalten, während der Regieassistent die nächste Runde Bacardi-Cola ranschafft. In Bremen gibt's halt Grog bei steifer Brise, dafür haben sie dort gezeigt, dass der Sommer überall ist, wenn du nur genug Wärmepacks unterm kurzärmeligen Hemd trägst. Die Sonne muss man im Herzen haben, die Bremer haben reichlich davon, und wenn der Atem bei vorgetäuschten 30 Malé-Grad kleine Kältewolken vor den Mündern bildet, dann gilt es halt, ein paar Eisstücke zu lutschen, schon ist der Dampf verschwunden. Ob einem nun heiß oder kalt wird - das hängt ja nicht vom Wetter, sondern von der Impfpolitik ab.

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