Gipfelkreuze:Zeichen der Heimat

Der Gipfelkreuzhacker frevelt. Und Reinhold Messner redet Unsinn.

Von Heribert Prantl

Es ist ein gutes Gefühl, wenn man auf einen Berg steigt, dem Gipfelkreuz entgegen und dann darunter stehen darf; das hat etwas Erhabenes: Man ist allein und doch nicht allein. Das Kreuz ist ein Symbol dafür. Es ist dort kein christliches Machtzeichen, der Gipfel wird mit einem Kreuz nicht bekenntnishaft besetzt. "Religio" heißt übersetzt "Rückbindung". In diesem Sinn mag man hier das Kreuz verstehen: nicht als konfessionelles Symbol, sondern als Zeichen dafür, dass auch der größte Gipfelstürmer nicht völlig losgelöst ist von der Erde und seinen Mitmenschen.

Das Gipfelkreuz steht für das Bewusstsein, nicht allein auf der Welt zu sein; dafür, mit der Schöpfung verbunden zu sein; auch dafür, dass vor einem andere da waren und nach einem andere da sein werden. Vielleicht ist das eine Vorstellung, die Reinhold Messner nicht leiden mag. Vielleicht redet der grandiose Bergsteiger deshalb so grandiosen Unsinn: Er sähe, meint er, die Berge hierzulande lieber ohne Gipfelkreuze; im Himalaja stünden ja auch keine. Messner äußert damit ein gewisses Verständnis zumindest für die Motivation des seltsam-frevlerischen Menschen, der derzeit auf österreichisch-bayerischen Bergen Kreuze umhackt; er liefert die Legitimation für dieses Gehacke, auch wenn er die Ausführung für Vandalismus hält.

Das Gipfelkreuz gehört zu den vertrauten Zeichen der Heimat. Wenn einer die nicht braucht, ist es auch gut. Aber er sollte sie den anderen lassen.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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