Ghana:Dauerduell im Musterland

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Fröhlicher Wahlkampf: Anhängerinnen von Präsident Nana Akufo-Addo feiern schon mal in Accra. Abgestimmt wird an diesem Montag. (Foto: Puis Utomi Ekpei/AFP)

In einem der demokratisch stabilsten Staaten Afrikas wird Präsident Akufo-Addo von seinem Amtsvorgänger herausgefordert. Erstmals könnte eine Frau Vizepräsidentin werden.

Von Anna Reuß, München

Die rund 17 Millionen Wahlberechtigten in Ghana sind an diesem Montag aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Meinungsumfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kandidaten der beiden wichtigsten Parteien hin: John Dramani Mahama vom National Democratic Congress (NDC) fordert seinen Nachfolger, den Amtsinhaber Nana Addo Dankwa Akufo-Addo heraus. Er tritt für die New Patriotic Party (NPP) an.

Nach Angaben der Organisation Transparency halten zwar 47 Prozent der Menschen die Polizei in ihrem Land für korrupt und nur einer von drei Befragten findet, die Regierung bekämpfe Korruption effektiv. Trotzdem gilt Ghana als eine Modell-Demokratie Afrikas. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2020 von Reporter ohne Grenzen belegt Ghana Platz 30 - vor Frankreich, Großbritannien und anderen europäischen Staaten. Auch die Wahlbeteiligung war zuletzt hoch: Bei den Parlamentswahlen 2016 gaben fast 70 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Ghana, das 1957 als erster Staat südlich der Sahara von seiner Kolonialmacht Großbritannien unabhängig wurde, gilt als besonders stabil und reformwillig. Es war deshalb eines von zwölf teilnehmenden Ländern im von Berlin initiierten "Compact with Africa", der Investitionen vor Ort vereinfachen soll.

Menschenrechte und Freiheiten sind seit dem Ende der Militärherrschaft gestärkt worden

Seit dem Übergang von der Militärherrschaft zur Mehrparteiendemokratie im Jahr 1992 erlebte die zweitgrößte Volkswirtschaft Westafrikas eine sukzessive friedliche Machtübertragung auf die politischen Parteien. Menschenrechte und individuelle Freiheiten wurden seitdem gestärkt. Vor allem in den Neunzigerjahren halbierte Ghana seine Armutsquote. Allerdings lebt noch immer etwa jeder Zehnte von weniger als 1,90 Dollar am Tag.

Anders als in einigen Nachbarstaaten verliefen die Wahlen seit der Unabhängigkeit überwiegend friedlich. Präsident Akufo-Addo, der sich zur Wiederwahl stellt, und sein Herausforderer Mahama unterzeichneten in dieser Woche sogar einen symbolischen Friedensvertrag und verpflichteten sich, das Ergebnis der Wahl zu akzeptieren. Beide treten zum dritten Mal gegeneinander an. Der 76 Jahre alte Rechtsanwalt Akufo-Addo regiert seit drei Jahren. Während dieser Zeit stieg das Wirtschaftswachstum dank Erträgen aus neuen Ölfeldern auf mehr als sechs Prozent an. Die Währung Cedi gilt als stabil und auch die Inflation ist in den vergangenen zehn Jahren gesunken. Doch auch Ghanas Wirtschaft leidet unter den Folgen der Pandemie. Was die Infektionen angeht, hat es das Coronavirus bislang gut verkraftet: Die Behörden meldeten etwa 50 000 Infektionen und 323 Todesfälle bei etwa 30 Millionen Menschen.

Akufo-Addos wichtigster Herausforderer, der 62 Jahre alte frühere Präsident Mahama, erklärte, er werde bei einem Sieg zehn Milliarden Dollar in die Infrastruktur investieren. Er plane den Bau von Straßen, Dämmen und Schulen sowie den Ausbau des Flughafens. Laut der Afrobarometer-Umfrage ist eine bessere Infrastruktur für fast 60 Prozent der Ghanaer besonders wichtig. Nach der Elfenbeinküste ist Ghana der zweitgrößte Kakaoproduzent der Welt. Mahama, der das Land bis 2017 regierte, werde sich dafür einsetzen, dass die Hälfte der Produktion auch im Land verarbeitet wird.

Ein Kandidat will bei einem Sieg sogar die Formel 1 nach Ghana holen

Zur Wahl stellen sich auch mehrere Frauen, wie etwa die frühere First Lady Nana Konadu Agyeman-Rawlings. Manche der ein Dutzend Kandidaten versuchen, mit ungewöhnlichen Themen bei den Wählern zu punkten: Hassan Ayariga etwa hat versprochen, den Motorsport zu fördern und die Formel 1 nach Ghana zu bringen, falls er Präsident wird. Doch den übrigen zehn Kandidatinnen oder Kandidaten werden kaum Chancen zugeschrieben. Die Entscheidung dürfte zwischen den beiden alten Rivalen fallen. Für beide wäre es jeweils die zweite und letzte Amtszeit im Flagstaff House, dem Sitz des Präsidenten.

Allerdings könnte, falls Mahama die Wahl gewinnt, das erste Mal in der Geschichte des Landes das Amt der Vizepräsidentin mit einer Frau besetzt werden. Im weltweiten Vergleich sind in Ghana besonders viele Unternehmen in Besitz von Frauen oder werden von ihnen geleitet. Doch Frauen machen nur 13 Prozent der Parlamentarier aus. Die ehemalige Bildungsministerin Jane Naana Opoku-Agyemang hofft, dass die Entscheidung des NDC, sie zu nominieren, andere Frauen zu einer Karriere in der Politik inspirieren wird. Viele von ihnen seien zudem "dank dieser folgenschweren Entscheidung" motivierter, wählen zu gehen, sagte die 69-Jährige.

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