Gewerkschaften:Fünf gegen Bsirske

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Die Gewerkschaftschefs haben ihr Treffen "Kooperationsvereinbarung" genannt. Dass aber nur vier von acht DGB-Gewerkschaften dabei waren, deutet auf etwas ganz anderes hin.

Von Detlef Esslinger

Am Tag danach ist noch schwer zu beurteilen, was für eine Veranstaltung das war, zu der am Mittwoch fünf Gewerkschaftsvorsitzende einige wenige schreibende (und nicht filmende) Reporter eingeladen hatten: Ging es im Grunde um einen Allerweltsvorgang, die Vorstellung einer "Kooperationsvereinbarung" von vier DGB-Gewerkschaften, unter Hinzuziehung des DGB-Chefs? Oder wird sich dieser Termin dereinst als die Gründungsversammlung des HDGB erweisen, des Halben Deutschen Gewerkschaftsbundes?

Jedenfalls handelte es sich in mehrfacher Hinsicht um einen beispiellosen Vorgang. Erstens gab es das noch nie, dass sich vier von acht DGB-Gewerkschaften zu einer Vereinbarung über die wichtigste Gewerkschaftsfrage überhaupt entschließen, nämlich die Gewinnung von Mitgliedern. Das Entscheidende daran ist: nur vier. Zweitens erweckten diese vier dabei demonstrativ den Eindruck, die anderen vier an ihren Gesprächen gar nicht erst beteiligt zu haben. Sie räumten ihnen lediglich in aller Großmut die Möglichkeit ein, sich ihrer Vereinbarung anzuschließen; so wie sie nun ist. Drittens gehört ihrem Bündnis ausgerechnet diejenige Gewerkschaft - Verdi - nicht an, mit der sie alle bisher die erbittertsten Konflikte um Mitglieder hatten.

Und viertens sitzt der DGB-Chef, quasi als Notar, dabei.

Was soll das? Sicherlich enthält die Vereinbarung Spuren von Nutzwert. IG Metall, IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), IG Bau sowie Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben nun eine Handreichung, wie sie miteinander umgehen, wenn wieder mal ein Konzern seine Betriebe so umbaut, dass nicht mehr auf Anhieb klar ist, welche Gewerkschaft zuständig ist. Davon abgesehen dokumentieren die vier Industriegewerkschaften, wie fremd ihnen die anderen vier geworden sind, die vor allem das Dienstleistungsgewerbe repräsentieren.

Die IG Metall und Verdi trennt mindestens so viel, wie sie eint

Der Konflikt schwelt seit Langem. IG Metall und IG BCE sind in ihren Betrieben in der Regel stärker als Verdi in den seinen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Kulturen: Die Industriegewerkschaften setzen fast ausschließlich auf die Arbeit in den Betrieben, Verdi aber zusätzlich auf außerbetriebliche und selbstverständlich auch außerparlamentarische Opposition. Zuletzt hat das geplante Gesetz zur Tarifeinheit die Gewerkschaften entzweit. Die Industriegewerkschaften unterstützen es grundsätzlich; Verdi, die GEW sowie Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aber sammeln Unterschriften dagegen - nach Lesart von IG Metall und Co. sammeln sie damit auch gegen den DGB. Agitation ist für Verdi-Chef Frank Bsirske ein notwendiges Mittel, um seine heterogene, in 13 Fachbereiche separierte Gewerkschaft zusammenzuhalten. Der IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis wiederum findet Agitation in etwa so zielführend wie Aspirin gegen Krampfadern. Am Mittwoch hat er übrigens betont, dass "Verdi im DGB ist, und wir bleiben es auch".

Wenn man das bereits eigens betonen muss, ist es bis zum HDGB nicht mehr so weit.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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