Gewalttat in Augsburg:Der Hetze widerstehen

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Ein Mann ist nach einem Fausthieb gestorben. Der Fall ist ist traurig und tragisch. Nun aber missbraucht die AfD sofort die Tat für ihre ausländerfeindlichen Reflexe - und die Partei verkennt dabei die tatsächlichen Ursachen, welche die Gewaltkriminalität heute hat.

Von Ronen Steinke

Dass Menschen zusammengeschlagen werden, geschieht in diesem Land an jedem Abend. Was den Vorfall auf dem Augsburger Königsplatz am Freitagabend so tragisch heraushebt, ist die unerwartete, vom Täter allem Anschein nach auch nicht intendierte Todesfolge schon nach dem ersten Faustschlag. Sein Opfer ging sofort zu Boden. Es verstarb kurz darauf. Das ist schockierend. Wie zerbrechlich das Leben ist; wie dieser Mensch, ein 49-jähriger Feuerwehrmann, der mit seiner Frau und zwei Freunden in der Stadt unterwegs war, sein Leben verloren hat, ist erschreckend und tieftraurig. Aber wurde er "zu Tode geprügelt", wie jetzt die AfD-Politikerin Alice Weidel per Twitter verbreitet?

Würde der mutmaßliche Täter, ein in Augsburg geborener 17 Jahre alter Deutscher, nicht noch zusätzlich über eine Herkunft aus einem anderen Land verfügen - Alice Weidel und ihre Konsorten würden seine Straftat, die schon schlimm genug ist, kaum zusätzlich reißerisch aufbauschen. Die Familie steht noch unter Schock, die Stadt Augsburg hat gerade erst begonnen zu trauern, schon denken Rechtspopulisten an politischen Profit. Das ist nicht nur schockierend, das ist ekelerregend. Darum geht es Weidel, die von "Migrantengewalt" twittert: Der 17-jährige Verdächtige hat auch noch die türkische und die libanesische Staatsbürgerschaft. Sein Freund, der bei der Tat dabei war und auch festgenommen worden ist, stammt ebenfalls aus Augsburg, ist 17 Jahre alt und hat einen italienischen Pass.

Tut das irgendetwas zur Sache? Man kann, durchaus, darüber reden: Junge Männer mit ausländischer Herkunft fallen beim Thema Kriminalität auf, sie sind in den Statistiken durchweg "überrepräsentiert", wie die Kriminologen sagen. Das lässt sich nicht leugnen, und es gibt auch keinen Grund dazu, nur sollte man sich Gedanken über die Ursachen machen. Der Satz "Ausländer sind halt krimineller" ist ein dumpfer Reflex. Die AfD lebt von diesem Reflex. Deshalb tönt Weidel so, und deshalb planen manche ihrer Geistesgenossen im Netz schon "ein zweites Chemnitz", also eine Agitation wie nach dem Tötungsdelikt durch einen Flüchtling im vergangenen August bei einem Stadtfest dort.

"Ob Jugendliche kriminell werden oder nicht, entscheidet nicht der genetische, sondern der soziale Hintergrund", so hat es - klug und nüchtern - gerade ein Autor der Augsburger Allgemeinen auf den Punkt gebracht. Das Risiko, auf die schiefe Bahn zu geraten, ist höher bei Jugendlichen, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen. Jugendliche mit Migrationshintergrund wachsen besonders oft in solchen Verhältnissen auf. Das entschuldigt nichts, aber es erklärt die Statistik. Es ist schon unzählige Male nachgewiesen: Armut, wenig Bildung, eigene Erfahrung als Opfer von Gewalt - je genauer man diese Faktoren herausrechnet, desto mehr verblassen die Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte in der Kriminalstatistik wieder.

Gegen soziale Probleme kann man etwas tun - mit Bildungs- und Integrationspolitik, der sehr aktive Kriminalpräventive Rat Augsburgs zum Beispiel verdient hier jede Unterstützung. Und Kriminelle wie den Schläger vom Königsplatz kann man bestrafen - als Individuen, nicht als Repräsentanten einer etwaigen ethnischen Gruppe. Das ist die richtige Antwort auf die anschwellende AfD-Demagogie. Augsburg lässt sich nicht aufhetzen.

© SZ vom 10.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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