Gesundheitspolitik:Drei gegen die Selbstblockade

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Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist tief zerstritten, Gesundheitsminister Gröhe will durchgreifen. Doch die Pläne der Bundesregierung findet man bei den Kassenärzten gar nicht gut.

Von Kim Björn Becker, München

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) will sich nicht strenger kontrollieren lassen. Entsprechende Pläne der Bundesregierung lehnt der Zusammenschluss der niedergelassenen Mediziner ab. In der vergangenen Woche hatte das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gebilligt. Die Reform sieht unter anderem vor, dass das Ministerium als Aufsichtsbehörde bei Regelverstößen stärker durchgreifen und etwa rechtswidrige Beschlüsse leichter aufheben kann. Zudem soll die Vertreterversammlung, also das oberste Kontrollorgan der KBV, mehr Befugnisse erhalten und zum Beispiel umfassender als bislang über die Entscheidungen des Vorstands informiert werden.

Schließlich muss der Vorstand der KBV in Zukunft aus drei statt bisher zwei Mitgliedern bestehen - der amtierende Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen und seine Stellvertreterin Regine Feldmann gelten als tief zerstritten.

Das neue Gesetz soll nach den Worten Hermann Gröhes dazu beitragen, dass die Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens, darunter die KBV, "künftig noch besser ihrer großen Verantwortung nachkommen können und vor Selbstblockaden geschützt sind". Im derzeitigen Vorstand vertritt Gassen die Fachärzte, Feldmann steht für die Hausärzte. Das künftige dritte Vorstandsmitglied darf dem Gesetzentwurf zufolge keinem der beiden Bereiche angehören, das soll Blockaden verhindern. Gassen rügte, dass das Prinzip der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen damit "ausgehöhlt" werde. Zudem kritisierte er, dass auch ein erweiterter Vorstand "Quertreibereien" nicht verhindern könne. Es gebe bereits heute die Möglichkeit, dass die KBV ein drittes Vorstandsmitglied ernennt, "und zwar freiwillig". Bei dieser Regelung solle es bleiben.

Gröhe reagiert mit dem Gesetzentwurf offenkundig auf die zahlreichen Affären und Streitereien innerhalb der KBV. Bereits im Sommer hat sein Ministerium einen Rechtsanwalt in die KBV-Zentrale geschickt, der dort eine Immobilien-Affäre abwickeln soll. Es geht dabei um Unregelmäßigkeiten, die im Zuge des Umzugs der KBV von Köln nach Berlin vor mehr als zehn Jahren entstanden sein sollen. Konkret wird der KBV vorgehalten, dass sie sich mittels einer umstrittenen Konstruktion über das Gesundheitsministerium hinweggesetzt habe. Die damalige Ministerin Ulla Schmidt (SPD) habe verhindern wollen, dass die KBV in ein allzu repräsentatives Gebäude zieht. Also soll die KBV zusammen mit der Ärzte- und Apothekerbank eine Zweckgesellschaft gegründet haben, die den Neubau im Berliner Bezirk Charlottenburg verantwortete. Die KBV sei zunächst lediglich Mieterin gewesen, 2010 habe der Vorstand dann wesentliche Teile der Gesellschaft übernommen - angeblich ohne die nötige Zustimmung der Vertreterversammlung einzuholen. An den Umzugsplänen soll auch der frühere Geschäftsführer und Vorstandschef Andreas Köhler beteiligt gewesen sein - dieser widerspricht dem Vorwurf, von windigen Konstruktionen gewusst zu haben. Derzeit klagt Köhler vor dem Berliner Landgericht dagegen, dass die KBV ihm die Ruhestandsbezüge gekürzt hat. Sie sollen von Köhlers Ehefrau festgesetzt worden sein, die als Personalreferentin bei der KBV tätig gewesen ist.

Zuletzt war dann ein Streit zwischen Andreas Gassen und Regine Feldmann eskaliert. Feldmann verlangte, dass das Gesundheitsministerium gegen Gassen vorgehe, weil dieser ebenfalls in Unregelmäßigkeiten verstrickt sei. Gassen weist das zurück - wie auch den Vorwurf, dass er eine Agentur damit beauftragt habe, Mittel zu finden, um Feldmann politisch in die Ecke zu drängen.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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