Gesundheitsministerium:Bitte hier entlang

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Weitreichende Ambitionen: Jens Spahn (CDU) begreift das Gesundheitsministerium als Sprungbrett - nach oben. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Jens Spahn schart Politmanager ohne Erfahrung im Gesundheitswesen um sich. Das könnte darauf hindeuten, dass er seinem Ministerium nicht treu bleiben will.

Von Cerstin Gammelin und Kristiana Ludwig, Berlin

So schnell kann es gehen. Wer Anfang April mit Thomas Steffen plauderte, bekam noch zu hören, wie geruhsam und zugleich interessant es sich als Dozent lebt. Steffen hielt eine Vorlesung an der Universität Bonn zum "Recht der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion". Wer ihn traf, erlebte den 58-Jährigen vergnügt und entspannt, sogar Zeit für Privates hatte er wieder. Ganz im Gegensatz zu seinen Jahren als Staatssekretär.

Ob er im frühen April schon mit Jens Spahn (CDU) gesprochen hatte, ist nicht bekannt. Dass Spahns Angebot in jenen Tagen überraschend kam, dagegen schon. Spahn kontaktierte Steffen, um ihm persönlich ein Angebot zu unterbreiten: den Posten als Staatssekretär im Gesundheitsministerium. Spahn kennt Steffen aus gemeinsamen Zeiten im Bundesfinanzministerium. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte das politische Talent Jens Spahn 2015 als Parlamentarischen Staatssekretär in sein Ministerium geholt und dort praktisch zwischengeparkt für künftige höhere Aufgaben.

Wird das Regierungspersonal neu sortiert, dürfte auch Spahn auf einen Posten spekulieren

Auch seit Spahn im vergangenen Jahr das Gesundheitsministerium übernahm, besteht wenig Zweifel daran, dass er diesen Posten wieder vor allem als Sprungbrett begreift. Er macht keinen Hehl daraus, dass er nach ganz oben will. An die CDU-Spitze und ins Kanzleramt. Nach der Europawahl steht nun eine kleinere oder sogar größere Kabinettsumbildung an. Denn Justizministerin Katarina Barley wechselt für die SPD ins Europaparlament, und auch die Zukunft von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ist ungewiss. Die Freie Universität Berlin prüft derzeit ihre Doktorarbeit. Zugleich stehen in der CDU Bildungsministerin Anja Karliczek und Wirtschaftsminister Peter Altmaier in der Kritik. Sollte sich das Regierungspersonal also Ende Mai neu sortieren, könnte auch Spahn auf einen neuen Posten spekulieren.

Für sein heutiges Haus sucht sich Spahn im Augenblick jedenfalls keine Experten für die nächste Pflegereform, sondern er schart Spitzenpersonal für ökonomische und politische Grundsatzfragen um sich. Dem Konservatismusforscher Timo Lochocki folgte in der vergangenen Woche Thomas Steffen, der von 2010 an Finanzminister Schäuble als beamteter Staatssekretär diente, zuständig für Europa. Der erfahrene Jurist war Schäubles engster Mitarbeiter in der Eurokrise. Als Spahn dazustieß, nahm Steffen ihn ein wenig an die Hand. Aber nicht nur die Jahre im Finanzministerium verbinden die beiden, auch die Mitgliedschaft in der CDU: Spahn und Steffen gehören zum konservativen Flügel.

Der Neue, Thomas Steffen, ist ein Vertrauter. Und er kann einen Apparat organisieren

Um Steffen jetzt einstellen zu können, entließ Spahn den erfahrenen Staatssekretär Lutz Stroppe (CDU). Unter Spahns Vorgänger Hermann Gröhe (CDU) war Stroppe der wichtigste Mann im Ministerium gewesen, er arbeitete für ihn die Feinheiten der komplexen Gesundheitspolitik aus und vertrat das Haus auch nach außen. Zuletzt war er wegen einer schweren Krankheit eine Zeit lang ausgefallen. Spahn hatte in dieser Phase das Management gern selbst in die Hand genommen. Dass Stroppes Nachfolger Steffen nun keinerlei Erfahrung im Gesundheitswesen mitbringt, scheint dem Minister nicht weiter wichtig zu sein.

Stattdessen sucht Spahn offenbar eher nach Vertrauten. Er braucht Mitarbeiter, die absolut loyal sind, mit ihm die gleichen Werte teilen und einen guten Job machen. Steffen ist so ein Mitarbeiter. Er kann einen Apparat managen.

Als Schäuble ihn brauchte, um die Griechenlandkrise zu lösen, war Steffen rund um die Uhr im Einsatz. Das ging so weit, dass er wegen unerwarteter Anrufe des Ministers, die jedes Mal sofortiges Handeln nötig machten, ein ums andere Mal extra anberaumte Wohnungsbesichtigungen absagen musste. Es gelang Steffen monatelang nicht, umzuziehen. Auch sonst passte sich der Staatssekretär dem Minister an. Der Beamte ertrug nicht nur geduldig Schäubles Launen, sondern war wie alle engen Mitarbeiter daran zu erkennen, dass er mehr lief als ging, um mit dem Tempo des Ministers mitzuhalten. Schäuble bewegte sich als Rollstuhlfahrer stets schnell durch die Gänge und ließ sich währenddessen von seinem Beamten briefen.

Was aus Spahns Sicht wohl noch für Steffen spricht, ist dessen differenziertes internationales Netzwerk. Er ist gut verdrahtet in Europa und in internationalen Finanzorganisationen. Die Kontakte könnten nützlich sein, wenn Deutschland 2020 die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernimmt.

Steffen hat seine Karriere 1990 im Wirtschaftsministerium begonnen. Nach der letzten Bundestagswahl hatte er noch Interimsfinanzminister Peter Altmaier (CDU) zum Chef, Olaf Scholz (SPD) brachte dann einen eigenen Staatssekretär mit. Steffen verließ das Finanzministerium im April 2018. Ein Jahr Auszeit wollte er nehmen, er fuhr nach Afrika und ging zum Unterrichten nach Bonn.

Das Jahr ist nun um. Wer ihn sprechen will, solle doch bitte in der Sommerpause nachfragen. Das hört sich so an, als ob Steffen da weitermacht, wo er aufgehört hat. Immerhin hat er jetzt schon mal eine Wohnung.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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