Geschichte:Man muss die Natur ordnen

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Rechtwinklig geschnittener Buchsbaum, klar umzirkelte Beete: der italienische Renaissance-Garten auf der IGA in Berlin. Herrschaftsgärten wie dieser wurden oft gegen die Natur angelegt. (Foto: Günter Schneider)

Gärten können sehr schön sein, machen aber viel Arbeit. Ein Blick zurück zeigt, dass die grünen Oasen oft mühevoll geschaffen wurden.

Von Gottfried Knapp

In allen Kulturen der Welt war die Natur gleichzeitig Feind und Freund des Menschen. Um also die Gaben der Natur in Ruhe und Fülle genießen zu können, musste der Mensch mit der Natur zusammenarbeiten. Damit ist das Wort genannt, das die Voraussetzung allen gedeihlichen Sprießens und aller möglichen Freude an der Natur bezeichnet: Arbeit. Ohne Arbeit kein ertragsfähiger Acker, kein früchtetragender Nutzgarten, kein freude- und ruhespendender Park. Das hat schon das erste Menschenpaar leidvoll erfahren, als Adam bei der Vertreibung aus dem Paradies die Botschaft mitbekam: "Verflucht sei der Acker um deinetwillen. Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang."

Die größte Mühsal haben aber nicht Äcker und Felder den Menschen bereitet, sondern Gärten, die einer privilegierten Schicht ein Paradies vorzauberten und das Leben im Freien zum ästhetischen Ereignis verklärten. In der Bundeskunsthalle in Bonn ist bis 15. Oktober eine Ausstellung zu sehen, in der dargestellt wird, wie in Iran schon vor vielen Jahrhunderten in wüstenhaften Gegenden Palastgärten mit Teichen und artenreichen Bepflanzungen angelegt wurden. Die sprudelnden Wasserbecken mussten von kilometerweit entfernt liegenden unterirdischen Quellen über ein ausgeklügeltes begehbares Rohrsystem gespeist werden. Die Anlage eines solchen Gartens war also viel aufwendiger als der Bau des dazugehörenden Palasts.

Die Hängenden Gärten der Semiramis, eines der sieben Weltwunder der Antike, war solch ein Naturkunstwerk: ein gemauerter Terrassengarten in unwirtlicher Umgebung, auf dem all die Nutz- und Zierpflanzen, die von der Natur für diese Region vorgesehen waren, üppig gediehen. Heerscharen von Sklaven mussten jahrzehntelang brutal schuften, um dieses künstliche Gebilde zu errichten; und ganze Hierarchien von naturkundigen Gärtnern waren nötig, wenn das kunstvoll gehegte Biotop auch nur ein paar Monate auf dem angestrebten Niveau überleben sollte.

In allen vergleichbar absolutistisch oder gar diktatorisch regierten Weltgegenden, also im alten Ägypten, im Zweistromland, im antiken Rom oder im Frankreich Ludwigs XIV., wurden die Herrschaftsgärten ähnlich kolossal und naturwidrig angelegt; und natürlich hat man all diese grünen Refugien gegen unbefugte Eindringlinge streng abgeriegelt. Die geradezu monströse Symmetrie der künstlichen Terrassen und der quasi mit dem Rasiermesser in die Natur geschnittenen Achsen im Schlosspark von Versailles haben der Welt die Wirkungsmöglichkeiten des bis ins letzte Grasbüschel geometrisch durchorganisierten Parks noch einmal so eindrucksvoll vorgeführt, dass danach alle Fürsten in Europa ein zweites Versailles errichten wollten.

Aber nicht nur Ziergärten, auch Küchengärten, in denen Gemüse und Kräuter gedeihen, wurden immer schon einer festen geometrischen Ordnung unterworfen. Die schönsten und botanisch klügsten Nutz- gärten waren die Klostergärten des Mittelalters; sie waren stets in Rechteckform angelegt und entlang eines Wegekreuzes in logischen Ordnungen mit Gemüsen, Gewürzen und medizinischen Heilkräutern bepflanzt. Im Grunde haben sich die Betreiber von Haus- und Küchengärten bis heute an diese ehemals von Klosterchroniken weitervermittelte Regel gehalten. Ja in manchen heutigen Schrebergarten-Kolonien werden die geltenden geometrischen Ordnungsvorschriften so streng beachtet, dass Leute, die das Ganze etwas lockerer angehen wollen, mit bösen Blicken bestraft werden.

Neben dem Wunsch, die anarchisch vor sich hin wuchernde Natur in verstandesmäßig gezügelten Ordnungen zu erleben, hat sich im Menschen immer auch die Lust geregt, etwas von der unberechenbaren Wildheit der Natur in Gärten nachzuinszenieren. In China und Japan beispielsweise werden Gärten auf höchst kunstvolle Weise nach dem Zufallsprinzip des zwischen Fels und Wasser sich regenden Pflanzenlebens angelegt. Alles was das malerische Beisammensein unterschiedlicher Elemente stört, wird gnadenlos ausgerottet. Und auch die seit dem 18. Jahrhundert über die ganze Welt verbreiteten Englischen Landschaftsgärten, die vorgeben, eine frei sich entwickelnde Natur darzustellen, können ihren landschaftlichen Reiz nur behalten, wenn ihre Baumbestände regelmäßig zurückgestutzt werden.

Man könnte also mit Karl Valentin sagen: Ein Garten ist schön, macht aber viel Arbeit. Selbst die von Carl Spitzweg gemalten kauzigen Kaktusfreunde, die nur einen kleinen Balkon oder ein Fensterbrett haben, scheinen den ganzen Tag über nichts anderes zu tun zu haben, als sich über ihre krummen Gewächse zu beugen.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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