Geisterpassagiere:Das Kidnapping-System der "Air CIA"

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Eine Untersuchung von Amnesty International erhärtet den Verdacht auf geheime Gefängnisse in Osteuropa. Doch eine Mauer des Schweigens verhindert endgültige Gewissheit.

Hans Leyendecker

Im Herbst 2003 wurden die Jemeniten Muhammad Bashila, Salah Qaru und Muhammad al-Assad von amerikanischen Spezialisten als angebliche Terrorverdächtige festgenommen. Sie landeten, zunächst getrennt, in geheimen Kerkern und waren fortan "Geistergefangene".

Nicht einmal die nächsten Angehörigen wussten, wo sich die Verschwundenen aufhielten, wie es ihnen ging und ob sie noch lebten. Seit die USA den Kampf gegen den Terror ausgerufen haben, gibt es viele solcher Schicksale.

Die drei Jemeniten wurden in Flugzeuge gepackt und an unbekannte Orte verschleppt. Vermutlich wurden Bashila und Qaru für eine Weile in Afghanistan in ein Loch gesteckt, vielleicht dort, wo monatelang auch der Deutsche Khaled el-Masri festgehalten wurde. Al-Assad könnte in Dschibuti gewesen sein. Bei einem Verhör blickte er auf das Porträt des Präsidenten der afrikanischen Republik.

Im April 2004 wurden die Männer in ein neues Verlies gebracht und dort blieben sie dreizehn Monate. Bashmila und Qaru schätzen die Flugzeit auf drei bis vier Stunden, al-Assads Flug soll länger gedauert haben. Das letzte Stück legten sie im Hubschrauber zurück. Vieles war für sie neu: Der Winter war kälter als jeder Winter, den sie erlebt hatten. Es gab seltsam belegtes Brot und einmal auch Pizza. Manchmal hörten sie Flugzeuge landen und wieder starten. Die Toiletten waren modern.

Engmaschiges Indiziengeflecht

Aus Gesprächen mit den Gefangenen, der Überprüfung der Flugzeiten, den klimatischen Bedingungen am Ort und anderen Haftumständen hat Amnesty International versucht, zu rekonstruieren, in welchem Land die Geistergefangenen mehr als ein Jahr gefangen gehalten wurden.

Ein Indiziengeflecht, das, verglichen mit anderen Untersuchungen dieser Art, vergleichsweise engmaschig ist. Es "drängt sich der Verdacht auf", so Amnesty, dass die Geistergefangenen in einem Geheimgefängnis in Osteuropa festgehalten wurden. Bisher haben die Regierungen aller in Verdacht geratenen Länder - wie Rumänien, Usbekistan oder Polen - vehement dementiert, dass es auf ihrem Boden solche Kerker gab oder gibt.

In einem rund vierzig Seiten starken Bericht zeichnet die Menschenrechtsorganisation nicht nur die Odyssee der vor ein paar Wochen freigelassenen drei Jemeniten nach, sondern beschreibt auch das Kidnapping-System von "Air CIA" einschließlich der Strohfirmen.

Keine Sensation: Die Namen der wichtigsten Tarnfirmen wie "Premier Executive Transport Services", "Aero Contractors" oder "Pegasus Technologies" und "Tepper Aviation" aus Florida sind bekannt, aber auch dieser Teil des Amnesty-Reports mit den Details über die Flugzeug-Flotte ist eine respektable Fleißarbeit.

720 verdächtige Flüge in fünf Jahren

Vieles deckt sich mit den Feststellungen der europäischen Flugsicherheitsorganisation Eurocontrol.

Sie zählte in einem Bericht für den Schweizer Dick Marty, der sich im Auftrag des Europarats mit dem illegalen CIA-Shuttle beschäftigt, allein für Deutschland zwischen 2001 und 2006 rund 720 verdächtige Flüge auf. Hiervon entfielen auf den Flughafen Frankfurt am Main 655, auf Augsburg 39, auf Ramstein 37, auf München 15, auf Stuttgart 13, auf Ganderkesee bei Bremen vier, sowie auf Berlin/Schönefeld, Köln-Bonn und Nürnberg jeweils zwei Flüge.

Die Bundesregierung hat dazu lediglich erklärt, sie habe "weder Kenntnisse über die Identität und die Benutzung dieser Flugzeuge noch über beförderten Personen und/oder das Frachtgut".

Ganz gleich, ob Amnesty oder Journalisten recherchieren, oder ob Staatsanwälte ermitteln: Es fehlt an Beweisen. So ermittelt die Staatsanwaltschaft Zweibrücken seit Monaten wegen der Verschleppung des Ägypters Abu Omar von Ramstein in ägyptische Folterhaft, aber nur die Kennung des CIA-Flugzeuges ist bekannt.

Die gegen Unbekannt wegen Freiheitsberaubung und Nötigung laufenden Ermittlungen "stagnieren", sagt Oberstaatsanwalt Norbert Dexheimer. Die US-Stellen blocken ab und die deutschen Dienste haben angeblich oder tatsächlich keine eigenen Erkenntnisse. "Wir stehen vor einer Mauer", sagt Dexheimer "und klopfen mit dem Stock dagegen". Doch die Mauer öffnet sich nicht.

© SZ vom 5.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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