Geheimdienste:Stille Post löst lautes Echo aus

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Die Zusammenarbeit der Geheimdienste ist eine Geschichte des Gebens und Nehmens - oft ohne Gewähr. Das zeigt die Diskussion um das britische Dossier zum angeblichen irakischen Uran-Deal.

Hans Leyendecker

(SZ vom 15.07.2003) - Die Geheimdienstwelt, deren Personal und Szenario unvermindert auf Neugier stößt, funktioniert neuerdings oft nach den Regeln von "Stille Post" und manchmal auch geht es zu wie auf einem Treffen von Briefmarkensammlern.

Wer eine angeblich wertvolle Marke hat oder zumindest so tut, kann sie gegen ein vorgeblich kostbares Wertzeichen eintauschen. Das Desaster einiger Geheimdienste und Regierungen in Sachen Irak ist auf eine Mischung dieser beiden Spielarten zurückzuführen.

Das Unglück begann mit einem Tipp. Der italienische Geheimdienst bekam den Hinweis, der Irak habe angeblich versucht, Hunderte Tonnen atomwaffenfähiges Uran in Niger zu kaufen.

Die Italiener informierten die so genannten Partnerdienste und bekamen im Gegenzug Informationen, die Rom auch interessierten. Der britische Secret Service trieb angeblich noch eine eigene Quelle auf, die bestätigte, was die Italiener meinten. Die britische Regierung hielt die Niger-Geschichte angeblich für echt und machte daraus eine Top-Nachricht: Saddam Hussein bastelt an der Atomwaffe.

Seriös oder nicht

Über die Seriosität dieser Quelle wollte der Secret Service aber mit niemandem auf der Welt reden. Nicht einmal mit den engen Freunden von der amerikanischen CIA.

Die schickte den Diplomaten Joseph Wilson nach Afrika und der kam zurück mit der Erkenntnis, dass die Sache stank.

Die CIA forderte den britischen Auslandsnachrichtendienst MI6 auf, die Niger-Geschichte zu korrigieren, aber die Briten verwiesen auf die Seriosität ihrer angeblichen Quelle, über die sie mit niemandem reden wollten.

Die CIA wurde nervös und sorgte dafür, dass Präsident George W. Bush in einer Rede über den Irak im Oktober 2002 in Cincinatti die Niger-Spur nicht erwähnte.

Aber in seinem Bericht zur Lage der Nation im Januar 2003 ging er - unter Hinweis auf die britische Regierung - in 16 dürren Worten auf die Geschichte ein. Alle Hinweise von Diensten, so scheint es, die Saddam bedrohlicher machten, waren den Falken in Washington willkommen. Entwarnung galt als Beschwichtigung.

Mittlerweile ist öffentlich, dass an der Niger-Geschichte gar nichts stimmte.

Was da passiert ist, verrät einiges über die heutigen Regeln des Metiers und seiner politischen Auftraggeber: Vor der Implosion des Ostens waren viele Geheimdienste Gegner, heute kooperieren sie insbesondere im Bereich der Proliferation, der Weitergabe atomaren, chemischen und biologischen Teufelszeugs.

Fast alle tauschen, mehr oder weniger abgestuft, fast alle Informationen aus. In der Regel werden die angeblichen Quellen geschützt.

Wer viel auf den Tisch legt, kann im Gegenzug Hardware von den anderen erwarten. Das Sagen in der Intelligence-Community haben die Amerikaner mit ihren diversen Diensten, für die sie jährlich dreißig Milliarden Dollar ausgeben.

Am besten können die amerikanischen Dienste mit den Briten und auch mit dem israelischen Mossad.

Das angebliche Wissen wird in Dosierungen weitergegeben. Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) kam zeitweise mit den US-Diensten sehr gut ins Geschäft, weil der BND angeblich Genaueres über rollende Biowaffenlabore im Irak wusste.

Es gehört zum Geschäft, dass Auswerter der Nachrichtendienste zusammensitzen und ihre Erkenntnisse diskutieren, ohne dabei die Quellen offen zu legen.

Das Problem ist nur, was macht die Politik mit den Arbeitsergebnissen solcher Treffen?

Das Beispiel Irak zeigt, dass Hinweise als Belege genommen oder sogar noch verstärkt wurden, wenn sie Washington ins politische Raster passten.

Dabei wissen alle Kenner: Der Konjunktiv als Möglichkeitsform ist und war schon immer die hohe Kunst der Dienste, die im Geheimen arbeiten.

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