Geheimdienste:Lügner und Täuscher

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Ein junger Iraker unter dem Decknamen "Curveball" narrte die Welt. Er hatte angeblich Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak - und eine Alkhoholfahne. Die US-Regierung glaubte seinen Aussagen trotzdem.

Hans Leyendecker

Vor Vertrauten zitiert BND-Präsident Ernst Uhrlau manchmal eine Passage aus einem Buch des amerikanischen Enthüllungsjournalisten Bob Woodward. Afghanistan sei "der Krieg der CIA" gewesen, hatte Woodward geschrieben. "Dann war der Irak der Krieg der Defense Intelligence Agency", fügt Uhrlau gern hinzu.

Im Vorfeld des Irak-Krieges und auch während des Waffenganges hat es zwischen der DIA - dem Geheimdienst des Pentagons - und dem BND engste Kontakte gegeben. Im Pentagon sitzt Donald Rumsfeld, und der wollte den Diktator Saddam Hussein stürzen, koste es, was es wolle. Auch die DIA sollte Beweise für die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak liefern.

Wie genau die Zusammenarbeit während des Krieges zwischen Deutschen und Amerikanern funktionierte und warum ein ehemaliger Pentagon-Mitarbeiter jetzt den BND als verlässlichen Helfer bei Operationen der Militärs ins Spiel brachte, wird vermutlich erst in den nächsten Wochen aufgeklärt werden. Fest steht, dass über der Beziehung der Dienste seit Ende des Krieges ein Schatten liegt, und der heißt "Curveball".

Der Begriff stammt aus der Baseball-Sprache und ist die Bezeichnung für einen mit Drall geworfenen Ball, der den Gegner täuschen soll. "Curveball" ist in der Deckname eines jungen Irakers, der 1998 als Asylbewerber nach Deutschland reiste und rasch mit Pullach in Kontakt kam. Er erzählte eine abenteuerliche Geschichte: Als Ingenieur habe er sich an der Entwicklung rollender Biowaffen-Labore im Irak beteiligen sollen.

BND-Spezialisten zeichneten aufgrund seiner Beschreibungen Pläne der angeblichen Giftküchen, und "Curveball" war sich auch ganz sicher, dass einige Container fertig gewesen seien, als er das Land verließ. Er sei sogar Zeuge eines Unfalls gewesen, bei dem ein Dutzend Personen kontaminiert worden und später gestorben seien. Anfang 2000 informierte der BND die DIA über den jungen Iraker, und die nannten ihn "Curveball", was freundlich gemeint war.

Abgewimmelt vom BND

Aber als die DIA nachfragte, ob sie mal mit dem angeblich so kenntnisreichen Überläufer reden dürfe, lehnten die Deutschen ab. 2000 besuchte ein US-Arzt den in Bayern lebenden Iraker. Er stellte eine Alkoholfahne fest, aber dieser Befund hinderte die DIA nicht, in knapp hundert Berichten "Curveball" als verlässlich zu preisen.

In dem 2005 erstellten Untersuchungsbericht zum Geheimdienstdebakel ist dann das Fiasko der DIA nachzulesen: Die US-Dienste hätten sich 2001 bemüht, mit "Curveball" zu reden und seien vom BND abgewimmelt worden. Es gebe Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, sagte der BND-Vertreter laut Bericht. "Ende 2002 ging es in den Gesprächen mit der DIA immer wieder um Curveball", sagt ein deutscher Sicherheitsbeamter.

Trotz aller Zweifel habe Washington auf die BND-Quelle gesetzt. Präsident George W. Bush, sein Vize Dick Cheney und Rumsfeld wollten den Krieg, und die Aussagen von "Curveball" gefielen.

Mittlerweile steht quasi amtlich fest, dass der BND-Informant, der angeblich so viel über Saddams Horror-Arsenal wusste, ein Lügner und Fälscher war. 2004 hat ihn ein US-Spezialist besucht, und sein Bericht war vernichtend. "Curveball" schrieb er, sei ein Lügner und Täuscher - wie der Ball beim Baseball, der den Gegner in die Irre führen soll.

© SZ vom 12.01.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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