Geheimdienst-Chef:Untragbar

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Hans-Georg Maaßen müsste jetzt gegen rechte Verfassungsfeinde vorgehen. Doch mit seinem Verhalten stärkt er jene, die den Staat geringschätzen, ja verachten.

Von Ferdos Forudastan

Man fasst sich an den Kopf: Im Osten Deutschlands machen massenhaft Verfassungsfeinde mobil. Der oberste Verfassungsschützer dieser Republik aber hat nichts Besseres zu tun, als via Bild-Zeitung anzuzweifeln, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf dunkelhäutige Menschen gegeben habe; zudem ergeht er sich in Verschwörungstheorien. Als dann die Kritik über ihn hereinbricht, erklärt er, kein bisschen glaubwürdig, er habe das alles nicht so gemeint. Im sächsischen Chemnitz und im sachsen-anhaltinischen Köthen laufen große Gruppen von Menschen durch die Straßen, brüllen Nazi-Parolen und zeigen den Hitlergruß. Hans-Georg Maaßen jedoch zieht die öffentliche Aufmerksamkeit auf seine Person. Dass der Inlandsgeheimdienst den Rechtsextremismus und dessen Verflechtungen mit dem Rechtspopulismus intensiv beobachtete, wäre gerade jetzt sehr wichtig. Doch der Präsident dieser Behörde schürt mit seinem pflichtvergessenen Verhalten den Verdacht, dass er das nicht so dringlich findet.

Gewiss, der Rechtsextremismus in diesem Land hat viele Ursachen. Dass Neonazis, Hooligans und andere Verfassungsfeinde in Chemnitz oder Köthen aufmarschieren; überhaupt, dass der rechte Rand Zulauf erhält und sich immer weiter radikalisiert, liegt natürlich längst nicht nur daran, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Arbeit erledigt.

Aber wie eifrig die rechten Gruppen sich im Bund und in den Ländern vernetzen, wie unbehelligt sie auftreten, wie sehr sie und die AfD sich mittlerweile annähern können, hat auch damit zu tun, ob der Geheimdienst seiner Arbeit so nachgeht, wie er das müsste: ob er die Gefahr von rechts so ernst nimmt, wie es nötig wäre; ob er die Politik dafür so sensibilisiert, wie diese es erwarten kann; ob er auch einer breiten Öffentlichkeit vermittelt, was sich im rechtsextremen Spektrum gerade zusammenbraut.

Alledem ist der Verfassungsschutz nur unzureichend gerecht geworden. Mit einem besser informierten und informierenden Geheimdienst wären vor allem die rechtsextremen Aufmärsche von Chemnitz wohl nicht ganz so überraschend gekommen. Dabei hätte eine Behörde, die beim Umgang mit dem rechtsterroristischen NSU so schrecklich versagt hat, allen Grund, braune Umtriebe außerordentlich genau ins Visier zu nehmen.

Den Kampf gegen den verfassungsfeindlichen Rechtsextremismus vermag das Bundesamt für Verfassungsschutz nur dann zu leisten, wenn ein Mensch es leitet, der seine Aufgabe kennt und das Format hat, sie auszufüllen. Von Hans-Georg Maaßen kann man beides offenkundig nicht sagen. Schlimmer noch: So manches, was er sich im Umgang mit dem rechten Rand leistet, dürfte diesen bestärken. Maaßens mehrfache, offenbar arg freundliche Treffen mit Politikern der AfD, seine zögerliche Haltung in Sachen Beobachtung dieser Partei, vor allem aber der Zeitungstext vom Freitag sind Wasser auf die Mühlen von Rechtsradikalen und Rechtsextremisten.

Dass Maaßen nun zurückrudert, dass er seine Unterstellungen nicht wiederholt, heilt seine Anmaßung keineswegs. Der Mann hat sich, schwarz auf weiß nachzulesen, als Staatsanwalt aufgespielt. Er ist der Bundeskanzlerin auf offener Bühne in den Rücken gefallen ohne sie, die das mit den Hetzjagden anders sieht, zunächst über seine Sicht der Dinge zu informieren. Offenbar ohne es vorher ordentlich zu prüfen, hat er nahegelegt, das Video, auf dem zu sehen war, dass dunkelhäutige Menschen gejagt wurden, sei eine Fälschung. Und er hat die unter Rechtsradikalen verbreitete bizarre Spekulation übernommen, der Film sei in Umlauf gebracht worden, um von dem "Mord" abzulenken wie Maaßen den tödlichen Messerangriff voreilig und gegen alle gebotene Zurückhaltung nennt, für den mutmaßlich zwei Flüchtlinge verantwortlich sind. Der Beamte Hans-Georg Maaßen hat sich, die Autorität seines Amtes missbrauchend, zu Chemnitz eingelassen wie ein Politiker, ein Politiker der AfD.

Wenn Hans-Georg Maaßen nun die Sache im Schreiben an seinen Dienstherrn und wahrscheinlich auch diesen Mittwoch vor den zuständigen Gremien des Bundestags so darstellt, als sei er falsch verstanden worden, dann macht er nicht nur sich selbst lächerlich. Der Geheimdienstchef blamiert damit außerdem seine eigene Behörde. Vor allem aber: Mit seiner Schutzbehauptung spielt der hohe Beamte jenen Bürgern in die Hände, die den Staat, seine Institutionen, seine Repräsentanten ohnehin geringschätzen, gar verachten.

Wenn sein Dienstherr, Horst Seehofer, auch jetzt noch, nach Maaßens unsäglichem Vorstoß vom Freitag, nach dessen peinlicher Volte vom Montag, an ihm festhält, dann tut er es ihm gleich. Das wiederum wäre ein weiterer Beleg dafür, dass der Bundesinnenminister seiner Aufgabe weder fachlich noch politisch gewachsen, dass er genau wie der Geheimdienstchef, nicht mehr tragbar ist.

© SZ vom 12.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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