Gedenktag:Respekt und Entschuldigung

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Steinmeier und Merkel danken den Widerstandskämpfern zum 75. Jahrestag des Attentats auf Hitler am 20. Juli und fordern Einsatz für eine starke Demokratie.

Von Joachim Käppner, München

Ein Kranz und eine Gedenktafel an der Fassade des Bendlerblocks in Berlin erinnern an den gescheiterten Umsturzversuch gegen das NS-Regime. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Kurz vor dem 75. Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den deutschen Widerstand gewürdigt. "Diejenigen, die am 20. Juli gehandelt haben, sind uns Vorbild", sagte sie in ihrem wöchentlichen Video-Podcast am Samstag. Die Verantwortlichen um Claus Schenk Graf von Stauffenberg hätten gezeigt, "dass sie ihrem Gewissen folgen, und damit haben sie einen Teil der Geschichte Deutschlands geprägt, der ansonsten durch die Dunkelheit des Nationalsozialismus bestimmt war", so Merkel. Man müsse ihnen danken.

Am 20. Juli 1944 war der Versuch gescheitert, Hitler im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" durch eine Bombe zu töten. Stauffenberg und weitere Mitverschwörer wurden unmittelbar nach der Tat erschossen. Merkel betonte, auch heute gelte es, sich "allen Tendenzen entgegenzustellen, die die Demokratie zerstören wollen". Dazu gehöre der Rechtsextremismus. Die Zahl der Sympathisanten steige leider. Vor allem der schreckliche Mord an Walter Lübcke, dem Kasseler Regierungspräsidenten, habe vor Augen geführt, wie wichtig es sei, jene zu unterstützen, die politische Verantwortung übernehmen - ob auf lokaler Ebene, als Politiker oder aber in den Nichtregierungsorganisationen und in der gesamten Gesellschaft. "Hier braucht es ein deutliches Zeichen aller!", so Merkel. Die Bundesregierung sei gefordert, die Sicherheitsorgane gut auszustatten. Aber auch jeder Bürger sei "eingeladen, sich dafür einzusetzen, dass die Demokratie stark ist, dass die Zivilgesellschaft stark ist und dass Rechtsextremisten keine Chance haben". Angela Merkel soll am kommenden Samstag auf der Berliner Gedenkfeier zum 75. Jahrestag des Anschlags sprechen.

Ganz ähnlich äußerte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. In einem Schreiben an die Stiftung 20. Juli 1944, das der SZ vorliegt, rief er die Bürger dazu auf, "aller Frauen und Männer des Widerstandes, ihres großen Mutes und ihrer hohen Opferbereitschaft zu gedenken". Der Bundespräsident erinnerte auch an jene Deutschen, die sich außerhalb des Militärwiderstandes dem NS-Regime entgegenstellten: "Keine Widerstandstat hat mehr Aufmerksamkeit erregt als der Aufstand am 20. Juli 1944. Gleichwohl wissen wir heute, dass der Widerstand viele Formen hatte. Jeder, der seine Möglichkeiten nutzte, um die Verbrechen des Regimes zu vereiteln oder sie zu erschweren, verdient unseren Respekt und unsere Anerkennung."

Zwar seien "die Motive für den Widerstand vielfältig und der Weg dorthin mitunter lang und verschlungen" gewesen: "Aber was zählt ist, den verbrecherischen Charakter des Hitler-Regimes erkannt, der Mut, dagegen Widerstand geleistet, und die Bereitschaft, dafür das eigene Leben aufgeopfert zu haben."

Bis heute, so Steinmeier, "erschüttert mich, wie lange auch nach 1949 dem Widerstand Anerkennung und Respekt verwehrt wurde, wie Betroffenen Renten und Versorgung verweigert wurden. Die junge Bundesrepublik hat gegenüber den Männern und Frauen des Widerstands, ihren Angehörigen und Hinterbliebenen Schuld auf sich geladen - dafür bitte ich ausdrücklich um Verzeihung."

In all seiner Vielfalt gehöre der Widerstand zur deutschen Freiheitsgeschichte. Steinmeier forderte, dieser mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sie aber auch vor Missbrauch zu schützen: "Der Widerstand kämpfte gegen Totalitarismus, Rassenhass und Völkermord. Wer heute wieder Hass schürt, wer neuen Nationalismus predigt und mit autoritären Regimen kokettiert, der hat kein Recht, sich auf den Widerstand und seine Symbole zu berufen. Ich bin dankbar dafür, dass so viele Nachfahren von Männern und Frauen des Widerstands heute deutlich Stellung beziehen gegen den Missbrauch des Widerstands durch radikale Populisten." In der freiheitlichen Demokratie gebe es keinen Widerstand, "sondern nur demokratisches Engagement", so Steinmeier: "Angesichts der Opfer des Nationalsozialismus kann uns heute manches Lamento über die Demokratie nur Ansporn sein, sie zu verteidigen."

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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