Gastkommentar:Die Macht des Geldes

Lesezeit: 3 min

Im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft 2016 wird so viel Geld im Spiel sein wie nie zuvor. Der schleichende Einfluss von "Big Money" ist dabei, die Grundlagen der amerikanischen Demokratie zu zerstören.

Von Timothy Garton Ash

Die Präsidentschaftswahlen in den USA im kommenden Jahr werden mit großer Wahrscheinlichkeit die teuersten Wahlen in der jüngeren Geschichte sein. Die Kosten werden die geschätzten sieben Milliarden US-Dollar noch übersteigen, die während des Präsidentschafts- und des Kongresswahlkampfs 2012 verprasst wurden. Donald Trump, der für die Republikaner als Präsidentschaftskandidat antreten möchte, personifiziert diesen Trend genauso, wie er ihm widerspricht: Immerhin sei es sein eigenes Geld, wie er regelmäßig betont. Die anderen Kandidaten sind auf die finanzielle Unterstützung von Lobbygruppen angewiesen wie die sogenannten "Super PACs". Diese dürfen Gelder in unbegrenzter Höhe einsammeln.

Die Summen, um die es jetzt geht, stellen alle anderen hoch entwickelten Demokratien in den Schatten. Vierhundert Millionen US-Dollar wurden bereits in der ersten Jahreshälfte 2015 eingenommen, und das, obwohl die Wahlen erst im Herbst nächsten Jahres stattfinden. Die Ausgaben allein für Fernsehwerbung werden nach jüngsten Schätzungen bei rund 4,4 Milliarden Dollar liegen. Zum Vergleich: Während des britischen Wahlkampfes 2010 haben alle Kandidaten und Parteien zusammengenommen weniger als 46 Millionen Pfund ausgegeben, ungefähr 70 Millionen US-Dollar.

Der Oberste Gerichtshof der USA hat in einem Urteil von 2010 festgestellt, dass Geld das Recht habe, zu "sprechen". Konkret bestätigte der Gerichtshof, dass "ein Verbot von unternehmerischen unabhängigen Aufwendungen (. . .) eine Einschränkung der Redefreiheit ist". Dazu merkt der amerikanische Rechtswissenschaftler Robert Post an: "Diese Aussage setzt den ersten Zusatzartikel zur Verfassung der USA, der sich auf die Rechte gewöhnlicher kommerzieller Unternehmen bezieht, pauschal gleich mit den Rechten natürlicher Personen." Anders formuliert - mit den Worten des früheren Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney: "Unternehmen sind Leute, mein Freund."

Natürlich ist die übermächtige Rolle, die das Geld in der amerikanischen Politik spielt, nichts Neues. Henry George, einer der bekanntesten politischen Ökonomen seinerzeit, schrieb 1883, dass eine Regierung "Augenwischerei und Betrug sein muss", solange "Wahlen durch Geld gewonnen werden, und es ohne solches unmöglich ist, sie zu gewinnen". Neu ist die Menge an Geld, die im Spiel ist, und der geradezu zügellose Umgang damit. Beides wurde erst durch das Urteil von 2010 möglich, das die Super PACs legalisierte. Zahlen des Center for Responsive Politics zeigen, dass die Ausgaben in den vergangenen Präsidentschaftswahlkämpfen 2004 und 2008 gravierend angestiegen sind, bevor sie sich 2012 gar verdreifachten. Und vermutlich ist das, was wir bisher erlebt haben, erst der Anfang.

Inzwischen gibt es so viele republikanische Präsidentschaftskandidaten, dass sie bei einer Fernsehdebatte zusammen kaum auf eine Bühne passen. Die amerikanische Historikerin Doris Kearns Goodwin argumentiert, dass diese enorme Zunahme von republikanischen Präsidentschaftskandidaten wenigstens teilweise das Ergebnis der Leichtigkeit ist, mit der wohlhabende Unternehmen oder einzelne Reiche auf ihren eigenen Kandidaten oder ihre Kandidatin (Carly Fiorina) setzen können. Ein Analyst der New York Times hat herausgefunden, dass mehr als die Hälfte des Geldes, das von republikanischen Kandidaten und ihren Lobbygruppen allein bis zur Jahreshälfte 2015 eingesammelt wurde, aus den Vermögen von rund 130 Familien und ihren Unternehmen stammt. Auf demokratischer Seite sieht es nicht viel besser aus.

Ein Kandidat will das System der Wahlkampffinanzierung ändern. Er hat keine Chance

Larry Lessig, ein Juraprofessor in Harvard, der auch als Internetguru bekannt ist, geht sogar einen Schritt weiter: Wäre er Präsident, so ließ er verlauten, wäre es sein einziges Ziel, in der amerikanischen Politik "aufzuräumen": Mit einem Entwurf für ein Gesetz zur Gleichheit aller Bürger, das die Registrierung der Wähler ebenso umfasse wie eine Änderung des Wahlsystems oder eine Reform der Wahlkampffinanzierung. Wenn er dieses Ziel erreicht habe, würde er zurücktreten und seinem Vizepräsidenten das Amt überlassen. Vor einigen Monaten sagte er, er würde weitermachen, wenn er es schaffe, mehr als eine Million US-Dollar via Crowdfunding einzunehmen - ein Ziel, das er erreichte. Das mögen für unsereins nicht gerade Peanuts sein, aber die Lobbygruppe des republikanischen Kandidaten Jeb Bush plant, bis Ende Februar nächsten Jahres allein 37 Millionen Dollar für Fernsehwerbung auszugeben. Eines der größten Probleme des Kandidaten Lessig ist also: Wie finanziere ich einen Wahlkampf zur Abschaffung der Wahlkampffinanzierung?

Lessigs bürgerrechtlicher Feldzug ist all denen bekannt, die die britische Zeitung Guardian lesen, die "Daily Show" mit Jon Stewart sahen oder sich in der Welt der Onlinemedien bewegen. Wer jedoch amerikanische Politik mit den Augen der Amerikaner betrachtet, hat wahrscheinlich keine Ahnung, wer der Kerl ist. Eine Mobilisierung mithilfe des Netzes versus 4,4 Milliarden US-Dollar für Fernsehwerbung? Das ist in etwa so, als würde man ein Tischtennisspiel mit einer Runde American Football vergleichen, bei der man fast zerstampft wird.

Bevor sich die Lage verbessert, wird es erst einmal noch schlimmer werden: im kommenden Jahr und vermutlich auch 2020. Aber ein Bewusstsein dafür, welchen Schaden der exzessive Einfluss des Geldes anrichtet und auf welch üble Weise er die Integrität der politischen Repräsentanten, ein Herzstück der Demokratie, zurichtet, macht sich allmählich breit. Der Tag wird kommen, und ich hoffe, es ist bald. Es sind nicht nur die Amerikaner, die ein Interesse am guten Zustand der amerikanischen Demokratie haben sollten.

Timothy Garton Ash, 60, ist britischer Historiker, Autor und Kommentator. Übersetzung: Elisa Rheinheimer-Chabbi

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: