Gastkommentar:Der Westen als Feind

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Europas Populisten bewundern Wladimir Putin ob seiner autoritären Art. Jetzt hat sich die Jugend der AfD mit der russischen Jungen Garde verbündet. Das zeigt, dass viele in der ´Partei die Westbindung Deutschlands lockern wollen.

Von Florian Hartleb

Aus vielen Nachrichten ergibt sich ein klares Bild: Die AfD will die Westbindung der Bundesrepublik lockern. Deren Jugendorganisation verbündet sich mit der Jungen Garde von Wladimir Putin. Frauke Petrys Lebensgefährte Marcus Pretzell reist mit FPÖ-Politikern als Ehrengast auf die von Russland annektierte Krim. Er spricht auf einem internationalen Wirtschaftsforum gegen die Sanktionen des Westens. Der thüringische Partei- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke plädiert für den Austritt aus der Nato. Russland ist dann die entscheidende geopolitische Alternative. Die AfD übernimmt hier Positionen der Linken, auch mit Blick auf ihre Strategie, in Ostdeutschland Protestwähler zu gewinnen.

Lange Zeit tauchte Russland in Parteiprogrammen oder Reden der Rechtspopulisten kaum auf. Die FPÖ sprach sich noch vor wenigen Jahren gegen jede Form von Kommunismus aus, redete von der roten Gefahr aus dem Osten. Umgekehrt wollte Putin mit rechtsradikalen Kräften lange nichts zu tun haben, er warnte sogar vor dem Abdriften Europas in den Faschismus. Mittlerweile pilgern FPÖ-Politiker regelmäßig nach Moskau und wettern dort gegen Nato, USA, EU und den Westen insgesamt. 2014 war ein Schlüsseljahr: Bei dem umstrittenen Referendum auf der Krim setzte Moskau im März auf Wahlbeobachter des französischen Front National, des belgischen Vlaams Belang, der ungarischen Jobbik, der italienischen Lega Nord und eben der FPÖ.

Im November wurde dann bekannt, dass sich der Front National durch Millionenkredite einer Kreml-Bank seine Wahlkämpfe mitfinanzieren lässt. In Deutschland war der russlandfreundliche Flügel der AfD damals noch deutlich in der Minderheit, sieht man von der Jugendorganisation ab. Schon im Februar 2014 hat die "Junge Alternative" ein Ende des Konfrontationskurses gegenüber Russland gefordert. Russland habe sich als umsichtiger geopolitischer Spieler und zuverlässiger Partner seiner Verbündeten erwiesen, steht bis heute in ihrem Programm. Deshalb hat das Freundschaftsabkommen mit der Jungen Garde der Putin-Partei Einiges Russland eine Vorgeschichte.

Russland erscheint plötzlich als geopolitische Alternative

Wegen der unterschiedlichen Haltung zur Russlandpolitik stieß Anfang 2015 dann der AfD-Flügel um Alexander Gauland mit Parteigründer Bernd Lucke und dessen Lager zusammen. Der Streit ist entschieden. Das neue Engagement der Petry-AfD deckt sich mit dem Radikalisierungskurs des Höcke-Flügels. Die Flüchtlingskrise hat die Einigkeit der Rechten auf europäischer Ebene noch verstärkt: Die verbliebenen AfD-Europaabgeordneten Marcus Pretzell und Beatrix von Storch haben sich gerade von David Camerons Konservativen weg- und zur Unabhängigkeitspartei Ukip hinbewegt. Dieser Weg ist noch nicht zu Ende, Ukip-Chef Nigel Farage und Marine Le Pen vom französischen Front National bewundern Putin. Le Pen sagte einst, Wladimir Putin stehe ihr näher als Angela Merkel.

Europas Rechtspopulisten bewundern Putins autoritären Führungsstil ebenso wie sein aggressives Vorgehen auf der Krim. Russland erscheint ihnen als geopolitische Alternative zum Westen - Ideen von einem Eurasien und einem Europa der Nationen tauchen auf. Solche Visionen werden gerne auf gemeinsamen Konferenzen diskutiert, ob in Berlin, Wien, Sankt Petersburg oder Moskau. Zum Club gehören Parteien wie die griechische Morgenröte und die ungarische Jobbik, die offen faschistisch auftreten. Wichtig als Ideengeber ist der Moskauer Soziologieprofessor Alexander Dugin, dessen wirklicher Einfluss auf Putin noch unklar ist. Auch in weltanschaulicher Hinsicht ist man sich einig, in der Ablehnung von Homosexualität und der Kultivierung eines sozialen Konservatismus sowie handfester Identitätspolitik. Pretzell, Gauland & Co. sind wie ihre europäischen Verbündeten gerne Gesprächspartner für Russia Today oder Sputnik, die kremltreuen Sender im Westen. Alles passt perfekt zu Putins medialem Propagandazug durch Westeuropa.

Florian Hartleb , 36, ist Politologe und lebt in Tallinn (Estland), wo er für ein Projekt der Bertelsmann-Stiftung arbeitet.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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