G36:Minister für Abwiegelei

De Maizière ist nicht der tolle Chef, als der er sich stilisiert.

Von Robert Roßmann

Es gibt viele Affären, deren Anlass deutlich kleiner war, und die trotzdem zu einem Ministerrücktritt führten. Guttenberg und Schavan mussten wegen ihrer Doktorarbeiten gehen. Dem damaligen Vizekanzler Möllemann wurde eine Empfehlung für Einkaufswagen-Chips eines Verwandten zum Verhängnis. Das alles waren Petitessen verglichen mit dem Fall G36. Denn diesmal geht es nicht um Plastikchips, sondern um Menschenleben.

Deutschland hat seine Soldaten wissentlich mit einem untauglichen Standardgewehr in Auslandseinsätze geschickt - und damit ihr Leben zusätzlich gefährdet. Wer die Berichte über die Treffsicherheit des Gewehrs bei Hitze oder Dauerfeuer liest, fühlt sich an die verbeulten Luftgewehre auf Jahrmärkten erinnert. Bisher ist zwar kein Fall bekannt, in dem ein Soldat wegen der Mängel des G36 zu Schaden kam. Aber wie soll man das auch beweisen?

Spätestens seit 2012 wussten der damalige Verteidigungsminister de Maizière und seine Staatssekretäre von den wesentlichen Problemen des Gewehrs. Doch statt zu handeln, wurde abgewiegelt. Wie schon in der Drohnen-Affäre offenbart sich, dass de Maizière doch nicht der perfekte Behördenleiter ist, den er so gerne gibt. Auch seine Nachfolgerin von der Leyen brauchte lange, bis sie das Problem gebührend ernst nahm. Anders als de Maizière hat sie jetzt aber gehandelt.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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