G-7-Gipfel München:Prügeln auf bayerische Art

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Vor Beginn des G-8-Gipfels in Heiligendamm haben tausende Demonstranten die Absperrungen vor dem Sicherheitszaun durchbrochen. Steine flogen und Wasserwerfer waren im Einsatz. Szenen, die an den G-7-Gipfel in München vor 15 Jahren erinnern.

Birgit Kruse

Angefangen hat damals, am 6. Juli 1992, alles mit einem Trillerpfeifen-Konzert. Gegen zehn Uhr versuchen rund 500 Demonstranten zur Münchner Residenz vorzudringen. Ihr Ziel: Lautstarker Protest gegen den Empfang der G-7-Spitzen (damals noch ohne die ehemalige Sowjetunion) durch Bundeskanzler Helmut Kohl.

Doch Prostest ist nicht erwünscht - will Bayern sich doch in diesen Tagen von seiner besten Seite zeigen.

Wer vor der Residenz demonstrieren und nicht applaudieren will, hat keine Chance. Noch bevor der EG-Kommissionspräsident Jaques Delors eintrifft, räumt eine Hundertschaft der Polizei den Platz.

Doch die Beamten beschränken sich nicht einfach darauf, die Demonstranten von dem Ort des Geschehens abzudrängen. Unter den Augen der Öffentlichkeit kesseln unzählige Beamte - von bis zu tausend ist die Rede - die G-7-Gegner vor dem Kaffeehaus Dallmayr ein.

Über mehrere Stunden werden die Demonstranten festgehalten - für viele ein entwürdigendes Schauspiel. Es gibt weder Toiletten noch frisches Wasser. Wer nicht mehr stehen kann, muss sich auf den Asphalt legen.

Als die Uhr am Münchner Rathaus die Mittagszeit anzeigt, ist ein Entkommen kaum noch möglich. Immer mehr Beamte riegeln den Kessel hermetisch ab.

Passanten werfen an diesem warmen Sommertag von außen Obst und Limo-Tüten zu den Eingekesselten, während sich bereits vier Ringe mit Polizisten um die Demonstranten aufgebaut haben. Die Visiere sind heruntergeklappt.

Die Beamten ziehen Demonstranten aus dem Kessel. Brechen den Widerstand mit Gewalt. Siegfried Beer, der damals für die Grünen im Münchner Stadtrat sitzt, berichtet von Fußtritten und Nierenschlägen.

In Handschellen werden die Demonstranten ins Polizeirevier in der Ettstraße abgeführt.

Bis 19 Uhr registriert die Polizei über 480 Festnahmen. Und auch hier entspannt sich die Situation kaum. In Sprechchören skandieren die Demonstranten: "Wir haben Durst, wir haben Hunger."

Ein 29-Jähriger aus Erlangen erzählt, wie er über zehn Stunden in einem Foyer des Präsidiums festgehalten wird. Weil keine Zelle mehr frei ist, werden 40 Mann jeweils zu Paaren mit Handschellen aneinander gekettet. Anlehnen an Wänden ist verboten.

Die Einsicht auf der Seite der Verantwortlichen, dass das Vorgehen der Polizei zu weit gegangen ist, fehlt. Während die Skandalbilder aus München über einen amerikanischen Nachrichtensender in alle Welt ausgestrahlt werden, spielt der damalige Ministerpräsident Max Streibl den Kessel zur Folklore herunter. Wenn einer glaube, sich mit Bayern anlegen zu müssen, müsse wissen, "dass hartes Hinlangen bayerische Art ist".

Und auch der damalige CSU-Chef Theo Waigel hält das harte Vorgehen offenbar für angemessen. Im Gegensatz zu anderen Gipfelkonferenzen sei München "ein Kinderspiel".

Derweil steht die Begründung für den harten Polizeieinsatz auf wackeligen Beinen: Die Demonstranten hätten sich durch "lautstarke Störungen mit Trillerpfeifen und Megaphonen" der versuchten Nötigung schuldig gemacht, lautet die offizielle Begründung aus dem Polizeipräsidium.

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