Fußballklubs:Click, click - Tooor

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Profis als Amateure: Die Dortmunder Fußballer Pierre-Emerick Aubameyang (zweiter von links) und Marco Reus (rechts neben ihm) probieren auf der Gamescom ein virtuelles Fußballspiel aus. (Foto: imago/Eibner)

Die ersten Bundesliga-Vereine haben bereits Gamer fest angestellt. Wie mit den Profi-Fußballern wollen sie mit ihnen Geld verdienen.

Von Sebastian Fischer

Wenn Fußballvereine neue Spieler vorstellen, geben sie ihnen zum Fototermin oft einen Ball. Die Fußballer sollen zeigen, was sie damit anstellen können: jonglieren zum Beispiel. Cihan Yasarlar allerdings, der neueste Zugang des Bundesligisten RB Leipzig, bekam keinen Ball, er hätte damit nicht so viel anzufangen gewusst. Auf dem Bild, das Leipzig verschickte, hält er den Controller, mit dem er eine Spielkonsole bedient. Yasarlar, 24, ist E-Sportler.

Der FC Schalke 04 hat 2016 eine eigene Mannschaft aus Zockern aufgestellt, der VfL Wolfsburg hat seit 2015 eine, in diesem Sommer folgten aus der Bundesliga der VfB Stuttgart und nun Leipzig. Yasarlar, Leipzigs erster Spieler, ist Europameister in der Fußball-Simulation "Fifa" auf der Playstation und deutscher Meister in der "virtuellen Bundesliga". Er soll ein Gehalt im niedrigen sechsstelligen Bereich verdienen, heißt es in der Branche. Spätestens mit seinem Transfer von Schalke nach Leipzig, dem ersten eines E-Sportlers zwischen zwei Bundesligisten, ist klar, dass die Vereine es ernst meinen.

"Ganz oder gar nicht", haben sie beim FC Schalke gedacht, bevor sie sich zum Einstieg entschlossen, sagt Marketing-Vorstand Alexander Jobst. Sportsimulationen decken nur einen kleineren Teil des Marktes ab, deshalb gibt es auf Schalke nicht nur "Fifa"-Spieler, sondern auch ein Team für das Strategiespiel "League of Legends". Die E-Sport-Abteilung sei nichts anderes als etwa die eigenständige Basketball-Sparte - nur langfristig profitabler. "Das Thema wirkt sich positiv aus", sagt Jobst, "wir verdienen bereits Geld." Das Investitionsvolumen würde bald im siebenstelligen Bereich liegen.

In Asien musste ein deutscher E-Sportler bereits Autogramme geben

Neun E-Sportler stehen in Schalke unter Vertrag, sie trainieren auf dem Vereinsgelände, nehmen die Ernährungsberater und Psychologen der Fußballer in Anspruch. Sportlich läuft es etwas holprig. Am Freitag schafften die Schalker den Aufstieg in die Championship Series, eine Art Champions League für "League of Legends", nachdem sie im ersten Jahr gleich abgestiegen waren. Und im "Fifa"-Team müssen sie nun Yasarlar ersetzen, über den Jobst sagt, er habe sich leider für die wirtschaftliche Attraktivität des Angebots aus Leipzig entschieden: "Wir hätten gerne mit ihm weitergearbeitet." Dafür konnten die Schalker zwei Fußball-Sponsoren überzeugen, im Umfeld der Zocker zu werben. Und die E-Sportler waren mit auf der Asienreise der Fußballer. Am Flughafen, erzählt Jobst, habe der "Fifa"-Spieler Tim Schwartmann, 19, Autogramme geschrieben.

Geht es nach Jobst, dann ist das Engagement der Fußballklubs im E-Sport zwangsläufig, eine Liga mit Beteiligung aller 18 Bundesligisten sei "nur eine Frage der Zeit". Doch das sehen längst nicht alle so.

"Wir werden trotz vieler Überlegungen und ohne Ignoranz für das Thema nicht in E-Sport investieren", sagte Carsten Cramer, Marketing-Direktor von Borussia Dortmund, auf einem Kongress in Köln. Und so wie in dieser Woche Uli Hoeneß das neue Nachwuchszentrum des FC Bayern lobte - es sei besser, Kinder zum Sporttreiben zu animieren, "als dass sie ständig vor ihrem Computer hocken" -, ist es kaum vorstellbar, dass der deutsche Meister demnächst Computerspieler beschäftigt. In Deutschland ist E-Sport wohl noch nicht so schnell als Sportart anerkannt. Auf Anfrage heißt es, der FC Bayern beobachte weiter den Markt, aber plane derzeit keinen Einstieg.

Beim Ligadachverband müssen sie zwischen den Lagern vermitteln. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) sieht im E-Sport-Segment für die Klubs einen Wachstumsmarkt und begrüßt den Vorstoß von Vereinen wie Schalke, sich um die Zielgruppe von etwa 13 bis 27 zu bemühen, für die Fußball auf der Konsole dazugehört wie der auf dem Rasen. Noch bedeutender ist das Potenzial auf dem asiatischen und nordamerikanischen Markt, wo die Klubs über Computerspiele ihre Markenbekanntheit vergrößern - oder erst bekannt werden.

Seit 1998 ist "Fifa"-Entwickler Electronic Arts (EA) Vertragspartner der Bundesliga. Der Dortmunder Marco Reus war auf dem Cover von "Fifa 17", Reus und sein Kollege Pierre-Emerick Aubameyang besuchten in dieser Woche die Gamescom. EA hat die Bundesliga-Lizenzrechte für Match-Simulationen bis 2022 erworben. Die Firma darf also die realen Bundesliga-Stars in ihren Spielen virtuell auftreten lassen.

Seit 2012 gibt es die "virtuelle Bundesliga", die deutsche "Fifa"-Meisterschaft, im Vergleich zu großen E-Sport-Events ist es noch eine beschauliche Veranstaltung. "Selbstverständlich wird diese weiter wachsen und an Relevanz gewinnen", sagt Jörg Daubitzer, CEO der DFL-Gesellschaft Bundesliga International. Doch die Schnittstelle zwischen der Vermarktung von Computerspielen und professionellem Computerspielen nennt er "komplex". Die Position der DFL sei "flexibel", er sagt: "Wir halten uns alle Wege offen." Die Liga will die Vereine zu nichts drängen, "wir sind aber offen für Initiativen der Klubs". Aktivitäten wie die der Schalker, auch ein Team für Strategiespiele aufzustellen, findet er eher abwegig. "E-Sports gehört im Moment nicht zu unserem Kerngeschäft."

Das soll es auch auf Schalke nicht werden. "Die wirtschaftlichen Erfolge aus dem E-Sport zahlen langfristig in unser Kerngeschäft Fußball ein", sagt Jobst. Demnächst soll es Merchandise-Produkte geben.

Cihan Yasarlar, der neue Leipziger, soll beim Heimspiel am Sonntag gegen Freiburg den Fußball-Fans vorgestellt werden. In den vergangenen Tagen war er schon als Werbebotschafter auf der Gamescom unterwegs, ihm folgen 150 000 Menschen in den sozialen Netzwerken. Doch an seinem Markenbewusstsein muss er noch arbeiten. Er gewann sein erstes "Fifa"-Spiel im RB-Trikot mit 6 : 1. Doch er spielte mit Real Madrid.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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