Friedensprozess:Punkten auf dem Balkan

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Er will sie wieder an einen Tisch bringen: Der US-Sondergesandte Richard Grenell im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz zwischen Hashim Thaçi (links hinten) und Aleksandar Vučić. (Foto: Michael Dalder/Reuters)

Die USA wollen Serbien und Kosovo versöhnen und laden die Präsidenten beider Länder zu einem Treffen ins Weiße Haus. Sie wollen schaffen, was den Europäern bisher nicht gelingt.

Von Florian Hassel, Belgrad

Ein Balkan-Treffen im Weißen Haus soll der Administration von US-Präsident Donald Trump zufolge einen Fortschritt im festgefahrenen Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo bringen. Laut Trumps Sondergesandtem Richard Grenell soll das Treffen in Washington am 27. Juni stattfinden. Seit sich Kosovo 2008 zur unabhängigen Republik erklärte, haben es mehr als 100 Länder als Staat anerkannt - nicht aber Serbien, das die ehemalige Provinz als Geburtsstätte der serbischen Nation ansieht.

Auch seit Kosovo und Serbien unter Druck der Europäischen Union 2013 eine Übereinkunft unterschrieben, gab es wenig Bewegung. Nachdem etwa Serbien Kosovos Aufnahme in die internationale Polizeibehörde Interpol blockierte, erließ Kosovo seinerseits Zölle von 100 Prozent auf serbische Waren. Im August 2019 stellten die USA, Deutschland, Frankreich, England und Italiens fest, der Status quo verhindere einen "Fortschritt auf Kosovos und Serbiens Weg zur Europäischen Union". Trump und Grenell entschlossen sich jetzt zum Vorgehen ohne die EU, offenbar in der Hoffnung auf einen außenpolitischen Wahlkampferfolg für den US-Präsidenten.

Serbien will Kosovo nicht anerkennen, ist aber offen für einen Gebietstausch

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić schließt eine Anerkennung Kosovos aus, propagiert aber wie Kosovos Präsident Hashim Thaçi seit 2018 die Idee eines Gebietstauschs nach ethnischen Kriterien unter dem Titel "Grenzkorrektur". Doch viele Kosovaren sind dagegen. Auch die EU und Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnen dies ab: Sie fürchten auf dem Balkan weitere, auch gewaltsame Forderungen nach Grenzänderungen.

Die Kanzlerin hat seit 2014 jährliche Westbalkan-Konferenzen organisiert; Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschäftigt sich seit 2019 verstärkt mit der Kosovo-Frage. Präsident Thaçi sprach am Dienstag von einem möglichen Treffen mit Serbien und Macron im Juli in Paris. Doch die EU insgesamt hat es nie zu einer einheitlichen Kosovo-Politik gebracht. Fünf Mitgliedsländer - Spanien, Griechenland, Rumänien, Zypern und die Slowakei - erkennen Kosovo nicht an. Sie befürchten verstärkte Unabhängigkeitsbestrebungen von Minderheiten in ihren Ländern.

Sowohl in Pristina wie in Belgrad setzt man indes stärker auf die USA. Der serbische Außenminister Ivica Dačić sagte, die Trump-Administration sei für Serbien besser als eine US-Regierung unter demokratischer Führung. Der Sondergesandte Grenell erklärte bei der Bekanntgabe des Treffens, Serbien habe zugesagt, bis auf Weiteres auf eine Kampagne zur Delegitimierung Kosovos zu verzichten. Kosovo stelle dafür einstweilen Initiativen zur Aufnahme in internationale Organisationen ein.

Doch während Präsident Thaçi auf eine Anerkennung Kosovos durch Serbien hofft, schloss Präsident Vučić dies auch am Dienstag ausdrücklich aus. Außenminister Dačić zufolge müsse jede Übereinkunft international geprüft werden, am besten in den Vereinten Nationen: Dort erkennen Serbiens Verbündete Russland und China Kosovo ebenfalls nicht an, was "außerordentlich wichtig in unserem Kampf für das Bewahren der staatlichen Interessen" sei. Präsident Vučić will in der kommenden Woche Präsident Wladimir Putin in Moskau treffen.

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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