Frankreich:Zunehmend isoliert

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Präsident Emmanuel Macron verliert einen weiteren wichtigen Mitstreiter: Innenminister Gérard Collomb will nicht weiter die Rolle des Hardliners füllen. Den Sozialisten zieht es zurück nach Lyon, wo er wieder Bürgermeister werden will.

Von Nadia Pantel, Paris

Theoretisch feiert das französische Innenministerium an diesem Mittwoch einen Triumph. Die Polizei konnte in den frühen Morgenstunden den meistgesuchten Verbrecher des Landes verhaften, Rédoine Faïd, der Anfang Juli dieses Jahres per Hubschrauber aus dem Gefängnis ausgebrochen war. "Die Beamten haben meine Bewunderung", sagte der gerade aus dem Amt geschiedene Innenminister Gérard Collomb. Das Kompliment wirkte schal. Schließlich hatte Collomb, Bewunderung hin oder her, kurz zuvor mitgeteilt, dass er nicht länger der "erste Polizist des Landes" sein wolle.

Nun kann man zum einen feststellen, dass das Innenministerium und die ihm untergeordnete Polizei anscheinend keinen Chef benötigt, um seine Arbeit zu machen. Zum anderen braucht die französische Regierung keine äußeren Anlässe, um sich selbst in die Bredouille zu bringen.

Innenminister Gérard Collomb füllte die Rolle des Hardliners. Nun zieht es ihn nach Lyon zurück

Es ist gerade einmal einen Monat her, dass der damalige Umweltminister Nicolas Hulot seinen Posten aufgab. Sein Ausscheiden aus der Regierung war nicht nur deshalb ein schwerer Schlag für Präsident Emmanuel Macron und Premierminister Édouard Philippe, weil Hulot zu den beliebtesten Politikern Frankreichs gehörte und als Kronzeuge für Macrons Klimaretter-Image agierte. Der Umweltschützer begründete seinen Rücktritt auch damit, dass Lobbyverbände zu starken Einfluss auf die Politik ausüben. Ein harter Vorwurf für eine Regierung, die behauptet, transparenter zu agieren als alle ihre Vorgänger.

Nun schmeißt auch der Sozialist Collomb hin. In diesem Fall geht jedoch kein enttäuschter Idealist wie Hulot, sondern ein erfahrener Machtmensch. Jemand also, der weiß, dass er die Regierung in eine Krise stürzt, wenn er sich acht Monate vor der Europawahl entscheidet, dass er lieber einen anderen Job machen möchte.

Collomb geht zurück nach Lyon, wo er von 2001 an, bis zu seiner Berufung an die Spitze des Innenministeriums, Bürgermeister war. Im Gespräch mit dem Figaro sagte Collomb am Dienstag, dass er weiterhin "ein aktiver Unterstützer des Präsidenten und des Premierministers" sein werde.

Premierminister Philippe wurde am Mittwoch zum Interims-Innenminister berufen. Bei der Amtsübergabe von Collomb an Philippe entstand nicht der Eindruck, als halte Philippe den scheidenden Collomb für einen "aktiven Unterstützer", er würdigte ihn kaum eines Blickes.

Collombs Rücktritt befeuert die Gerüchte, dass Macron zunehmend isoliert an der Spitze des Staates stehe. Als Macron seine Bewegung "En Marche" gründete, gehörte der Sozialist Collomb zu den ersten Unterstützern. Der 40-jährige Macron und der 31 Jahre ältere Collomb demonstrierten gerne ihre Nähe, jeden Montag trafen sie sich für ein gemeinsames Mittagessen, noch im Frühjahr prahlte Collomb, kein Minister stünde Macron näher als er.

In den ausführlichen Hintergrundberichten zu Collombs Rücktritt in der französischen Presse geht es nun kaum um inhaltliche Differenzen zwischen Collomb und Macron, sondern eher um verletzte Eitelkeiten. Politisch waren sich der Präsident und sein Innenminister einig: Collomb hatte eine Verschärfung des Asylgesetzes durchgesetzt. Er füllte die Rolle des Hardliners aus, die Macron ihm zugedacht hatte.

Der erste Bruch zwischen den beiden Männern dürfte sich im Juli während der Benalla-Affäre vollzogen haben. Collomb wies damals alle Verantwortung für den prügelnden Élysée-Mitarbeiter Alexandre Benalla von sich. Danach spricht Collomb im Fernsehsender BFMTV von der "mangelnden Bescheidenheit" Macrons. Aus dem Innenministerium selbst hört man, Collomb habe lieber über seine eigene Erfolgsbilanz als über aktuelle politische Aufgaben gesprochen.

In Lyon hat derweil der gewählte Bürgermeister Georges Képénékian seinen Posten geräumt, um Platz für Collomb zu machen. Eigentlich hatte der angekündigt, erst nach der Europawahl zurücktreten zu wollen, um bei den Kommunalwahlen 2020 für Lyon kandidieren zu können. Vor etwas mehr als zwei Wochen hatte Collomb dann aber damit begonnen, mitten im laufenden Mandat von seiner Rückkehr nach Lyon zu sprechen. Seinen vorgezogenen Abgang begründete Collomb nun damit, dass er die Regierungsarbeit nicht "stören" wolle.

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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