Frankreich:Zähmung des Drachens

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Präsident Macron will Chinas kaum verhohlenes Streben nach Einfluss in der EU einhegen - mithilfe der Bundeskanzlerin.

Von Leo Klimm, Paris

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron heißt seinen chinesischen Kollegen Xi Jinping willkommen. (Foto: REUTERS)

Angela Merkel und Jean-Claude Juncker sollen Emmanuel Macron beistehen. Frankreichs Präsident hat gerade einen nicht ganz einfachen Gast zu Besuch: den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping. Zu einem besonders heiklen Gespräch, das Macron mit Xi an diesem Dienstag führen will, hat er die Bundeskanzlerin und den EU-Kommissionspräsidenten hinzugeladen. In dem ungewöhnlichen Gesprächsformat sollten "Gemeinsamkeiten zwischen Europa und China gefunden werden", vor allem in der Handelspolitik und beim Klimaschutz, heißt es in Macrons Umfeld.

Das klingt diplomatisch freundlich. Tatsächlich verbirgt sich dahinter jedoch der Wunsch des französischen Präsidenten, Xis kaum verhohlenen Streben nach Einfluss in Europa eine klare, selbstbewusste Botschaft der wichtigsten EU-Vertreter entgegenzusetzen. Ins Chinesische übertragen bedeutet Macrons Name, "Ma Ke Long", schließlich so viel wie: "Das Pferd, das den Drachen zähmt".

Französische Firmen schließen trotz der neuen Töne aus Paris Milliardenverträge mit China ab

Die Zähmung Chinas - also der Versuch, die Machtbalance zugunsten der Europäer neu zu justieren - soll besonders durch Geschlossenheit zwischen Paris und Berlin gelingen. Bisher, so räumt man im französischen Präsidentenpalast ein, seien Deutschland und Frankreich angesichts der Verlockungen des chinesischen Markts gegenüber Peking eher in Konkurrenz zueinander aufgetreten. Man habe sich gegeneinander ausspielen lassen. Doch jetzt ist, geht es nach Macron, "die Zeit der europäischen Naivität vorüber".

Frankreichs Staatschef stört sich nicht zuletzt am Megaprojekt der neuen Seidenstraße, bei dem China eine Billion Dollar in Infrastrukturprojekte in Asien, Europa und Afrika investiert. Für Macron offenbart sich darin eine "hegemoniale Vision". Merkel ist in ihrer Wortwahl wie immer zurückhaltender, signalisiert in der Sache aber Zustimmung. Ein Papier von Junckers EU-Kommission, in dem China erstmals als "Systemrivale" und als "wirtschaftlicher Wettbewerber" Europas eingestuft wird, unterstützte die Bundeskanzlerin beim EU-Gipfel vergangene Woche ausdrücklich. Anfang April wiederum steht ein EU-China-Gipfel an. Das Treffen Merkels, Macrons und Junckers mit Xi soll dafür nun schon einmal die Richtung vorgeben - und zwar auch den übrigen EU-Partnern.

Unter anderem will das europäische Trio mit dem chinesischen Staats- und Parteichef über eine multilaterale Weltordnung und über die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens sprechen. In Abgrenzung zu US-Präsident Donald Trump hat Xi in diesen Fragen in den vergangenen Jahren Nähe zu europäischen Positionen angedeutet. In der Praxis stellen die Europäer aber fest, dass Xi besonders in der Wirtschaftspolitik unter Multilateralismus offenbar etwas anderes versteht als sie. Sie fordern, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt müsse ebenso offen Zugang zu ihrem Markt und zu öffentlichen Aufträgen gewähren wie Europa. Zugleich versuchen immer mehr EU-Staaten - darunter auch Deutschland - ausländische, und damit chinesische Investitionen in strategisch wichtige Branchen einzuschränken.

Der Wille nach europäischer Geschlossenheit wird allerdings konterkariert: Unmittelbar bevor er nach Frankreich kam, konnte Xi in Rom eine Rahmenvereinbarung über die Teilnahme Italiens an dem Seidenstraßen-Projekt unterzeichnen, das Macron so beargwöhnt. Innerhalb Europas, wo bisher eher kleine EU-Staaten den Verheißungen Pekings erlegen waren, wertet dies das geopolitische Großvorhaben der Chinesen deutlich auf.

Doch selbst Macrons eigene Haltung erweist sich als angreifbar. Nicht etwa, weil die erste Etappe von Xis Frankreich-Reise an der Côte d'Azur von Ausschreitungen bei einer Gelbwesten-Demonstration im nahen Nizza überschattet wurde. Sondern weil der Präsident ungeachtet der neuen französischen Töne den Besuch aus Fernost nach hergebrachter Manier für die Geschäfte heimischer Konzerne nutzt. Französische Unternehmen, zum Beispiel solche aus der Energie- und der Lebensmittelbranche, schlossen am Montag in Paris unter Vermittlung Macrons Milliardenverträge mit chinesischen Partnern. Allen Klagen über verschlossene Märkte zum Trotz.

Die Achtung der Menschenrechte in China spielt bei Xis Besuch hingegen eine untergeordnete Rolle. Die Menschenrechte seien "ein großes Sorgenthema", heißt es in Macrons Umfeld. Es werde mit Respekt und Offenheit angesprochen. "Wie immer."

© SZ vom 26.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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