Frankreich:System Élysée

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„Der Chef“ sei auf seiner Seite, glaubt Alexandre Benalla. „Der Chef“ – das ist Frankreichs Präsident Macron. (Foto: Christophe Morin/Bloomberg)

Haben seine Berater gelogen? Die Affäre um einen übergriffigen Leibwächter wird für Präsident Macron immer mehr zum Problem.

Von Nadia Pantel, Paris

Einen "Sturm im Wasserglas" nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im vergangenen Sommer die Affäre um seinen Sicherheitsmann Alexandre Benalla. Inzwischen haben sich die Vorwürfe gegen Benalla so weit multipliziert, dass man Macrons Äußerung eine grobe Fehleinschätzung nennen muss. Aus dem "Sturm im Wasserglas" ist inzwischen eine Krise geworden, von der Le Monde schreibt, dass sie das "gesamte System des Élysée in Frage stellt".

Seit einem halben Jahr beschäftigt sich der französische Senat mit dem Fall Benalla, nun haben die Senatoren veranlasst, dass die Justiz gegen drei enge Vertraute von Präsident Macron ermittelt. Den Élysée-Mitarbeitern wird vorgeworfen, Benalla durch "inkohärente Aussagen" gedeckt zu haben. Bei den drei Männern handelt es sich um Alexis Kohler, Generalsekretär des Élysée, Lionel Lavergne, Kommandeur der Sicherheitseinheit, und Patrick Strzoda, Kabinettsdirektor von Macron. Strzoda wird vorgeworfen, vorm Sicherheitsausschusses des Senates gelogen zu haben, in der Frage, mit welchen Aufgaben Benalla genau betraut war.

Die Affäre Benalla begann damit, dass Le Monde im Juli ein Video veröffentlichte, auf dem zu sehen ist, wie Benalla am 1.Mai 2018 Demonstranten brutal angeht. Das Problem war nicht nur die Gewalt, sondern auch, dass Benalla überhaupt kein Recht hatte, sie auszuüben. Er war an dem Tag offiziell in Urlaub, verhielt sich jedoch als sei er ein Polizist. Benallas Vorgesetzte wurden über den Vorfall informiert, entschieden sich jedoch, die Grenzüberschreitung von Macrons Leibwächter nicht der Justiz zu melden.

Inzwischen ist klar, dass Benallas Fehlverhalten vom 1. Mai nur eine von vielen Episoden war, in denen es der 27-Jährige Gesetze und Regeln als etwas betrachtete, die nur für andere gelten. So soll Benalla einem russischen Oligarchen bei Vertragsverhandlungen geholfen haben. Er soll noch nach seiner Entlassung aus dem Élysée-Palast mit Diplomatenpässen durch die Welt gereist sein. Er hat mit einer Pistole auf einem Foto posiert, ohne dass seine Position gerechtfertigt hätte, dass er eine Waffe führt. Auf einem Audiomitschnitt, den die Nachrichtenseite Mediapart im Januar veröffentlichte, hört man, wie Benalla sich lachend damit brüstet, dass "der Chef" auf seiner Seite sei. Der "Chef" ist kein geringerer als Präsident Macron.

In dem aufgezeichneten Gespräch ist außerdem von "Isma" die Rede. Es handelt sich um Ismael Emelien, der Macron sehr nahe steht und den Präsidenten berät. Nach Veröffentlichung der Tonaufnahmen trat Emelien zurück. Die offizielle Begründung lautete: Er wolle sich auf sein Buch konzentrieren, das bald erscheint.

Der Sprecher der französischen Regierung, Benjamin Griveaux, griff am Freitag den Senat an. Dessen Entscheidung, die Justiz einzuschalten, sei "politisch" motiviert. Es handele sich um die "Instrumentalisierung" einer "schwerwiegenden Affäre".

© SZ vom 23.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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