Frankreich:Sehnsucht nach Sarkozy

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Bei der Europawahl haben die Republikaner das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Partei eingefahren. Nun sucht die konservative Partei nach einem neuen Profil - und einer neuen Führungspersönlichkeit.

Von Nadia Pantel, Paris

Eine Woche nach der Europawahl blicken Frankreichs Konservative nicht nur auf ein miserables Ergebnis, sondern auf eine zerfallende Partei. Nur 8,4 Prozent der Wähler haben am 26. Mai den Republikanern ihre Stimme gegeben - das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Partei. Der Senatspräsident Gérard Larcher hat nun am Dienstag führende Köpfe der Republikaner zur Notfallsitzung eingeladen. "Wir können nicht einfach dabei zusehen, wie die Rechte und die Mitte sich auflösen", schrieb Larcher an seine Partei.

Interimsmäßig werden die Republikaner seit Sonntag von Jean Leonetti geleitet, der ehemalige Vize in der Parteiführung rückte auf, nachdem der bisherige Parteichef Laurent Wauquiez seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. Ein neuer Parteichef soll nach der Sommerpause bestimmt werden, bis dahin begeben sich die Konservativen auf Sinnsuche. "Auf der Tagesordnung darf nun kein Kampf der Führungspersönlichkeiten stehen, sondern ein Kampf der Ideen" sagte Wauquiez dem Figaro.

Was die Ideen betrifft, hatte Wauquiez die Linie der Partei klar nach rechts verschoben. Er bediente sich einerseits bei den Ideen von Marine Le Pens Rassemblement National und stellte Fragen der Migration und der inneren Sicherheit ins Zentrum seiner Politik. Andererseits schloss er jede Kooperation mit Le Pen aus. Diese Strategie kann nun als gescheitert gelten. Wauquiez sei daran gescheitert, sich einen verlässlichen Kreis aus Verbündeten aufzubauen, heißt es aus den Reihen der Republikaner. Dass der 44-Jährige nun dafür plädiert, es dürfe nicht um die Eitelkeiten Einzelner gehen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Zu seinen Markenzeichen gehörte ein roter Anorak. Wauquiez ist besonders hochgewachsen, er sagte offen, dass seine Größe in Kombination mit dem Anorak dazu führe, dass man auf Fotos nur noch ihn sehe.

Die Konkurrenz hat schon damit begonnen, die Fliehkräfte zu verstärken

Für die Wähler scheint die Signalfarbe nicht zu einer inhaltlichen Unverwechselbarkeit geführt zu haben. Das Meinungsforschungsinstitut Ifop befragte Frankreichs Wähler vergangene Woche, wer für sie am ehesten ein guter Repräsentant der Rechten ist. Die höchsten Zustimmungswerte bekam Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, 60 Prozent der Befragten sagten, er "verkörpert gut die heutige Rechte". Darauf folgte mit 51 Prozent Le Pen. Der zu diesem Zeitpunkt Noch-Parteichef der Republikaner, Wauquiez, kam in der Umfrage nur auf Platz neun, mit 30 Prozent Zustimmungswerten.

Auf den Plätzen fünf und sechs der Umfrage fanden sich Premierminister Édouard Philippe (Platz fünf) und Präsident Emmanuel Macron. Diese Befragung verdeutlicht das Dilemma, in das sich die Republikaner manövriert haben. Für eine Politik der konservativen Mitte steht heute Macrons Partei La République en Marche, und trotz ihrer faschistischen Vergangenheit gilt Le Pen heute als wichtigste Stimme der Rechten, von der sich auch bürgerliche Wähler nicht mehr ganz so abgestoßen fühlen wie noch vor ein paar Jahren.

Den Konservativen bleiben nun nur neun Monate Zeit, um den Verfallsprozess aufzuhalten; 2020 stehen in Frankreich die Regionalwahlen an. Die Konkurrenz hat schon begonnen, die Fliehkräfte zu verstärken. Am Sonntag lud der Staatssekretär Sébastien Lecornu die Bürgermeister dazu ein, "die Republikaner zu verlassen", um sich Macrons République en Marche anzuschließen. Eine ähnliche Einladung kam auch von rechts. Le Pen sagte, sie strecke ihre Hand aus, um alle Amtsträger und Wähler der Republikaner willkommen zu heißen, die "Patrioten" seien; die "an der Verteidigung unserer Identität festhalten und an der Wiederherstellung der französischen Größe".

Auch Le Pens Nichte, Marion Maréchal, sah nach Wauquiez' Rücktritt ihre Stunde gekommen. Offiziell hat Maréchal sich aus der Politik zurückgezogen, sie baut seit zwei Jahren in Lyon eine Hochschule auf, die sie eine Kaderschmiede für Europas Rechte nennt. In einem Interview mit dem Nachrichtensender LCI mischte sich Maréchal am Sonntag nun wieder offen ins politische Geschäft ein. Sie wünsche sich "eine große Koalition der Rechten", die aus Republikanern und Rassemblement National gemeinsam entstehen solle.

© SZ vom 05.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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