Frankreich:Reden hilft

Emmanuel Macron kann es gelingen, die Wut der Gelbwesten in eine konstruktive Debatte zu lenken.

Von Stefan Ulrich

Mit Geld und Worten ist es Emmanuel Macron gelungen, den Protest der Gelbwesten erst zu überstehen und nun zu entschärfen. Mit Milliarden Euro befriedigte er zunächst einige soziale Forderungen der Bewegung. Dank der unzähligen Worte seiner "großen nationalen Debatte" lenkte er dann den wilden, erratischen, sich an sich selbst berauschenden Protest in die Bahnen einer konstruktiven Diskussion. Sein Kalkül ging, fürs Erste, auf: Der Präsident hat den Kontrollverlust im Land gestoppt. Er hat seine Anhängerschaft neu motiviert. Und er hat bewiesen, dass er dem Volk aufs Maul schauen kann, statt immer nur selbst zu ihm zu sprechen.

Dabei hätte der "Grand Débat" leicht scheitern können, als blutleere, pädagogische Übung, die der Präsident den Franzosen auferlegt. Doch die vielen Menschen, die sich an den Diskussionen im ganzen Land voller Elan beteiligten, sowie Macron selbst, der ihnen aufmerksam zuhörte und überlegt antwortete, haben mehr daraus gemacht. Staatsmacht und Bürger wissen nun besser, was für ein Frankreich sie sich wünschen. Das ist viel wert in Zeiten, in denen der Unmut sich oft in Filterblasen verdichtet, die wie Faulgas an die Oberfläche steigen und die Atmosphäre der Demokratie vergiften.

Jetzt muss der Präsident seinen Kritikern zeigen, dass er nicht nur hören, sondern auch handeln will. Gelingt ihm dies, wird er am Ende gestärkt aus den Massenprotesten hervorgehen. Seine Präsidentschaft ist erst knapp zwei Jahre alt. Macron bleibt also noch Zeit, die Franzosen zu überzeugen.

© SZ vom 16.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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