Frankreich:Randalierer auf Verdacht

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Flammen der Wut: Solche Bilder brennender Autos wie bei den Gelbwesten-Demonstrationen im Dezember will die französische Regierung nicht mehr sehen. Die Nationalversammlung hat deswegen jetzt ein „Anti-Randalierer-Gesetz“ beschlossen. (Foto: Stephane Mahe/REUTERS)

Frankreich schränkt als Reaktion auf Gewalt bei den Gelbwesten das Demonstrationsrecht ein. Obwohl Macrons Partei über das Gesetz streitet, kann der Präsident seine Popularitätswerte wieder steigern.

Von Nadia Pantel, Paris

Während der Demonstrationen der sogenannten Gilets jaunes kam es in Frankreich zu den gewalttätigsten Protesten der vergangenen Jahre. Die Mehrheit der Gelbwesten demonstrierte friedlich für geringere Steuern und gegen Präsident Emmanuel Macron. Doch gerade an den ersten beiden Dezemberwochenenden wurden die unangemeldeten Proteste von einer Zerstörungswut begleitet, die in Paris, aber auch in Bordeaux und kleineren Städten zu bürgerkriegsartigen Szenen führte. In der Hauptstadt wurden Häuser, Autos und Geschäfte angezündet, auch die Präfektur in Puy-en-Velay brannte.

Inzwischen ist die Zahl der protestierenden Gelbwesten stark zurückgegangen. Zum Höhepunkt der Bewegung, Anfang Dezember, waren 136 000 Menschen auf die Straße gegangen, vergangenes Wochenende waren es laut Innenministerium 58 600, auch der Vandalismus ging deutlich zurück. Die französische Nationalversammlung hat am Dienstag dennoch ein Gesetz beschlossen, das eine klare Reaktion auf die Ausschreitungen der vergangenen Wochen ist: die "loi anti-casseurs", das Anti-Randalierer-Gesetz. Der Text geht auf eine Initiative der konservativen Republikaner zurück, die noch vor Beginn der Gelbwesten-Bewegung ein Gesetz gegen sogenannte Black Blocks auf Demonstrationen forderten. Innenminister Christophe Castaner sagte, das Gesetz solle dazu dienen, "Schlägertypen" vom Demonstrieren abzuhalten. Eine Einschätzung, der nur die Republikaner geschlossen zustimmen wollten.

Viele Abgeordnete fürchten, das Gesetz könnte den Rechten in die Hände spielen

Die Abstimmung über das Randale-Gesetz geriet zur ersten großen Spaltung der Mehrheitsfraktion. Von den Abgeordneten der Macron-Partei La République en Marche (LRM) stimmten 241 für das Gesetz, 50 enthielten sich und 14 erschienen nicht zur Abstimmung. Es ist das zweite Mal, dass die Partei sich schwer damit tut, eine gemeinsame Haltung zu finden. Bereits im Sommer hatte das neue Asylgesetz für Streit gesorgt. In beiden Fällen wird eine Spaltung in linke und konservative Abgeordnete innerhalb der Partei sichtbar. Sowohl das in Teilen rigide Asylgesetz als auch das Anti-Randalierer-Gesetz empfinden viele LRM-Abgeordnete als Einschränkung freiheitlicher Grundwerte. Während Dutzende Abgeordnete sich beim Asylgesetz im Sommer noch damit begnügten, bei der Abstimmung einfach nicht zu erscheinen, entschieden sich am Dienstag nun mehr Abgeordnete, offen ihre Zustimmung zu verweigern. Viele nannten als Grund die Befürchtung, dass eine mögliche, spätere rechtsradikale Regierung das Gesetz nutzen könnte, um Proteste der Opposition zu unterbinden.

Am häufigsten wird eine Passage des Anti-Randalierer-Gesetzes kritisiert, die es den Präfekten erlaubt, einzelnen Personen das Demonstrationsrecht abzusprechen. Das Gesetz orientiert sich dabei an der geltenden Rechtsprechung für Fußballspiele, die bekannten Hooligans den Zugang zum Stadion verweigert. Für Empörung sorgt, dass man nicht vorbestraft sein muss, um unter Krawall-Verdacht gestellt zu werden und dass die Präfekten der Regierung unterstellt sind. Die linken Fraktionen in der Nationalversammlung kritisieren, das Gesetz beschneide massiv die Freiheit des Einzelnen. Jean-Luc Mélenchon von der linken Partei France Insoumise warf der Regierung vor, mit zweierlei Maß zu messen: Die Gewalt der Demonstranten werde problematisiert, die der Polizei ignoriert. Noch nie wurden so viele Demonstranten durch Polizeiwaffen verletzt, wie während der Proteste der Gilets jaunes.

Der Schriftsteller und Anwalt François Sureau, der als Vertrauter Macrons gilt, sprach von einem "Gesetz der Angst": "Der Bürger wird eingeschüchtert, nicht der Straftäter." Der ehemalige grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit, ebenfalls ein Macron-Unterstützer, nannte das Gesetz "dramatisch dumm".

Der Streit in der Nationalversammlung scheint dem Präsidenten jedoch nicht zu schaden. Das Meinungsforschungsinstitut Ifop meldete am Mittwoch einen entschiedenen Anstieg von Macrons Popularität. Hatten seine Zustimmungswerte im Dezember den Tiefststand von 23 Prozent erreicht, liegen sie inzwischen bei 34 Prozent, einen Punkt höher als vor der Gelbwesten-Krise. Macron hat massive finanzielle Zugeständnisse gemacht. Er erhöhte in Teilen den Mindestlohn, erließ die Steuern auf Überstunden und zog eine unpopuläre Ökosteuer auf Treibstoffe zurück. Analysten sehen den Grund seiner gestiegenen Beliebtheit auch im "Grand débat". Seit Mitte Januar tourt der Präsident im Rahmen einer "großen Debatte" durchs Land und spricht mit Lokalpolitikern. Die stundenlangen Debatten werden live im Fernsehen übertragen.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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