Frankreich:Parlez-vous Deutsch?

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Die geplante Bildungsreform von Frankreichs Schulministerin Najat Vallaud-Belkacem löst in Berlin und Paris Entfremdungsängste aus.

Von Leo Klimm, Paris

Im Streit über eine befürchtete Schwächung des Deutschunterrichts in Frankreich verteidigt Schulministerin Najat Vallaud-Belkacem ihre Reformpläne. "Wir werden das ganze System verändern", sagte sie. Dies sei an den Mittelschulen nötig, um das schwache Niveau der Franzosen in Fremdsprachen anzuheben. "Ich habe zugleich den klaren Willen, das Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen", versicherte Vallaud-Belkacem.

Ihre Reform ziele darauf ab, mehr junge Franzosen so auszubilden, dass sie Deutsch tatsächlich beherrschten. Dazu soll der Beginn mit einer zweiten Fremdsprache nach Englisch um ein Jahr auf die siebte Klasse vorgezogen werden. Die Ministerin räumte aber ein, dass künftig weniger Schüler in der Sprache des politisch und wirtschaftlich wichtigsten Partnerlandes Deutschland unterrichtet würden.

Vallaud-Belkacems Vorhaben, bilinguale Klassen in Deutsch und Englisch sowie Europaklassen mit starkem Fremdsprachenangebot 2016 an der Mittelschule abzuschaffen, hat in der germanophilen Elite Frankreichs heftige Kritik ausgelöst. Auch die Bundesregierung versucht, eine Schwächung des Deutschunterrichts auf diplomatischem Weg abzuwenden. Vallaud-Belkacem zielt aber gerade darauf ab, im Namen der Chancengleichheit die von ihr als "zu elitär" empfundenen Sonderklassen zu beenden. Tatsächlich hat die Wahl von Deutsch an der französischen Mittelschule ("collège") oft eine soziale Filterfunktion. Deutsch gilt als schwierige Sprache. Das kann kostspielige Nachhilfe oder den Besuch besonders guter Schulen nötig machen - die meist in besseren Vierteln gelegen sind. Die Klassen mit verstärktem Fremdsprachenunterricht, die seit 2013 zu einer Stabilisierung der Deutschlerner-Quote bei 15 Prozent der Schüler geführt haben, würden von "wohlhabenden Familien genutzt", so die Ministerin.

Die deutsche Botschafterin in Paris, Susanne Wasum-Rainer, ist alarmiert. Sie befürchte, dass "die Zahl der Deutschlerner beträchtlich zurückgeht". Dies werde auch negative Folgen für Städtepartnerschaften haben. Sie nehme die Kritik "nicht auf die leichte Schulter", sagte Vallaud-Belkacem. "Es verletzt mich, wenn es heißt, ich wolle den Tod der deutschen Sprache. Ich mag Deutschland." Sie plane, spielerischen Deutschunterricht schon in der Grundschule anzubieten. Allerdings wird dieser nicht von qualifizierten Lehrern erteilt.

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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