Frankreich:Mehr Geld, mehr Dialog

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In Reaktion auf die Gelbwesten-Proteste plant die Regierung ein milliardenschweres Sozialprogramm und einen groß angelegten Bürgerdialog. Trotzdem droht eine neue Protestwelle - diesmal von enttäuschten Polizisten.

Von Nadia Pantel, Paris

Frankreich sucht nach dem Abebben der sogenannten Gelbwesten-Proteste den Weg zurück zur Normalität. Seit Beginn der Woche werden im gesamten Land die Kreisverkehre geräumt, an denen Anhänger der Gilets jaunes gegen hohe Lebenskosten und für mehr direkte Demokratie demonstriert hatten. Dabei gehe die Polizei "in kleinen Schritten" vor und setze auf "Dialog". Gleichzeitig stimmen Nationalversammlung und Senat in dieser Woche im Eilverfahren über die Maßnahmen ab, die helfen sollen, den Protest der Gelbwesten endgültig zu beenden. Noch vor Weihnachten sollen milliardenschwere Sozialmaßnahmen beschlossen werden. Es handelt sich dabei um die konkrete Umsetzung der Ankündigungen von Präsident Emmanuel Macron. So soll ein Teil der Mindestlohnempfänger künftig monatlich 100 Euro mehr erhalten, auf Überstunden sollen keine Abgaben mehr erhoben werden und einkommensschwache Rentner sollen entlastet werden. Die Bewegung der Gilets jaunes setzt sich mehrheitlich aus Bürgern der unteren Mittelschicht zusammen, die klagen, trotz Arbeit kaum über die Runden zu kommen.

Zusätzlich zu diesen bereits angekündigten Erleichterungen für Geringverdiener sollen auch Polizisten eine Sonderzahlung erhalten. Durch die Proteste der Gilets jaunes und durch den islamistisch motivierten Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt in der vergangenen Woche häuften die Beamten erneut Überstunden an. Polizeigewerkschaften rufen daher zum Streik auf. Noch ist unklar, ob die von der Regierung beschlossene Prämie von 300 Euro für alle Beamten, die während der Gelbwesten-Proteste ihren Dienst verrichteten, eine für Donnerstag geplante Polizei-Kundgebung verhindern wird. Manche Medien spekulieren bereits über eine mögliche Bewegung der "blauen Westen", also der enttäuschten Polizisten. In einem Bericht über den Zustand der französischen Polizei sprach ein Untersuchungsausschuss im Sommer von der "größten Krise der Polizei seit 30 Jahren."

Um der Krise Herr zu werden, hat die Regierung außerdem mit der Vorbereitung eines groß angelegten Bürgerdialogs begonnen. Bis Mitte März sollen im ganzen Land Vertreter der Regierung, Vertreter der Kommunen und Vertreter der Gelbwesten miteinander über demokratische Institutionen, Verteilung der Steuerlast und mögliche Verbesserungen der Infrastruktur auf dem Land diskutieren.

Der Unmut der Gelbwesten entzündete sich zwar an einer Ökosteuer auf Benzin und Diesel, die in Folge der Proteste inzwischen von der Regierung zurückgenommen wurde, doch schnell erwuchsen daraus grundsätzlichere Forderungen, die das gesamte französische Staatsmodell infrage stellen. So wollen viele Vertreter der Gilets jaunes die Einführung von Volksabstimmungen, durch die nicht nur über Gesetze entschieden werden kann, sondern auch über Verfassungsänderungen oder Politikerrücktritte. Premierminister Édouard Philippe sagte, dass ein Referendum "im Prinzip" ein "gutes Instrument in einer Demokratie" sein könne. Es dürfe jedoch "nicht für egal welches Thema" angewendet werden.

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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