Frankreich:Komplizierte Feierstunde

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Beim Gedenken an die Landung alliierter Truppen in der Normandie vor 75 Jahren mahnt Staatschef Macron zur Einigkeit der Völker. US-Präsident Trump hingegen feiert vor allem seine eigene Nation.

Von Nadia Pantel, Paris

Fallschirmspringer erinnern an die amerikanischen Soldaten, die vor 75 Jahren in der Normandie gelandet sind. (Foto: Christopher Furlong/Getty Images)

Man muss zurückschauen von den Klippen bei Colleville-sur-Mer, um das Grauen zu sehen. Schaut man nach vorne, sieht man an diesem Frühlingstag nur das strahlend blaue Meer. Doch richtet man den Blick nach hinten, sieht man die 9386 weißen Marmorkreuze, die in perfekter Ordnung an den Preis erinnern, den amerikanische Soldaten vor 75 Jahren für die Freiheit Europas zahlten. Die Kreuze stehen über Omaha Beach, einem der Strände, an denen am 6. Juni 1944 die Alliierten in Frankreich ihre Invasion gegen Nazideutschland starteten. Für den 75. Jahrestag des D-Day wurde neben den Kreuzen ein riesiger roter Teppich ausgerollt. Dort sitzen unter Tausenden Würdenträgern und Veteranen mehr als 60 Ehrengäste. Die bald 100-jährigen Männer haben als junge Soldaten hier in der Normandie das Abwehrfeuer der deutschen Wehrmacht überlebt. Dieser 6. Juni ist ihr Tag. Und es ist der Tag der französisch-amerikanischen Freundschaft. Doch genau das macht diese Feierstunde kompliziert.

Noch vor gut einem Jahr inszenierten sich der französische Präsident Emmanuel Macron und sein amerikanischer Kollege Donald Trump auf dem Rasen vor dem Weißen Haus in Washington als joviale Kumpel. Das Schulterklopfen und Brustkörbe-Aneinanderpressen nahm kein Ende. Die damalige Botschaft: Wir sind beide rebellische Typen, das schweißt uns jenseits aller politischen Differenzen zusammen. Zwei Spaten standen bereit, um die Männerfreundschaft zu besiegeln. Macron und Trump pflanzten gemeinsam eine Eiche. Inzwischen ist der Baum eingegangen, wie französische Medien melden.

Mittlerweile sind nicht nur die Eichenblätter verkümmert, sondern auch Macrons und Trumps Verbrüderungswille. Frankreichs Präsident musste lernen, dass es nichts hilft, Trump mit einer Militärparade zu beeindrucken (Juli 2017) und ihn liebevoll zu tätscheln (April 2018). In Fragen des Klimaschutzes, des freien Handels, des Atomabkommens mit Iran arbeiten die beiden offen gegeneinander.

Nun fühlt sich die Ankunft von Macron und Trump in Colleville-sur-Mer zunächst weder nach einem bedeutungsschweren Tag der Erinnerung an, noch sind die politischen Spannungen zu spüren. Beide Präsidenten strahlen, die Veteranen lachen und klatschen. Erst als Macron und Trump jeweils ihre Rede halten, werden die grundsätzlichen Unstimmigkeiten zwischen den beiden Politikern spürbar. Der historische Anlass wird zur Folie, vor der beide ihre Vision der Weltordnung verteidigen.

Macron fordert, man müsse sich "des Versprechens der Normandie würdig erweisen"

"Amerika, lieber Präsident Trump, ist niemals größer, als wenn es für die Freiheit anderer kämpft", sagt Macron. Ein klarer Wink an den Amtskollegen, der immer wieder deutlich gezeigt hat, wie wenig er von einer multilateralen Außenpolitik hält. Macron verknüpft in seiner Rede eine Verbeugung vor der amerikanischen Armee und Nation mit der Bitte um enge Zusammenarbeit. "Im Namen meiner Nation möchte ich mich bei Ihnen bedanken", sagt Macron auf Englisch mit Blick auf die Veteranen. Und fordert gleichzeitig, man müsse sich "des Versprechens der Normandie würdig erweisen", also ein einiges Europa in enger Partnerschaft mit den USA bewahren. Hochpolitische Worte in einer Zeit, in der Trump Großbritannien in seinem Wunsch bestärkt, die Europäische Union zu verlassen. Nach Macrons Rede steht Trump auf und drückt den Franzosen an sich. Eine große Geste, die eine kleine Geste nicht vergessen macht: Als Macron vom Kampf für die Freiheit anderer sprach, gähnte Trump.

In seiner Rede zeigt sich der US-Präsident ungewohnt elegisch. Er spricht gut doppelt so lange wie Macron. Während Macron den gemeinsamen Kampf der Alliierten im Zweiten Weltkrieg als Beginn einer neuen Friedensordnung interpretiert, sieht Trump ihn in erster Linie als Beweis amerikanischer Größe. Er schließt seine Rede mit den Worten: "Amerika ist heute stärker als jemals zuvor." Es werde seinen "Way of Life", seine Art zu leben, verteidigen. Beschwört Macron die Einigkeit der Völker, beschwört Trump die Einigkeit der Amerikaner. "Unsere Nation wird immer einig sein", sagt Trump. "Möge Gott unsere Verbündeten segnen." Eine explizite Erwähnung Frankreichs fehlt an dieser Stelle. Später, vor dem gemeinsamen Mittagessen mit Macron in Caen, sagt Trump jedoch, Frankreich und die USA hätten "zur Zeit eine herausragende Beziehung", die "vielleicht noch nie so gut" gewesen sei.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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